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Galerie Ravensburg, B30n

1. Aufgabenstellung

Die Bundesstraße 30 führt von der Donau zum Bodensee und verbindet auf einer Länge von etwa 100 km die zentralen Orte Ulm an der Donau und Friedrichshafen am Bodensee. Zwischen Weingarten und Ravensburg wird sie von der B 32 überlagert, die von Hechingen über Ravensburg ins bayerische Allgäu verläuft. Diese bereits im Mittelalter stark frequentierte Nord-Süd-Verbindung entwickelte sich im 20. Jahrhundert zunehmend zur Magistrale des Schwäbischen Oberlandes, die nicht nur der Abwicklung des Güterverkehrs dient, sondern auch eine besondere Bedeutung für den Erholungsverkehr aus den Ballungsgebieten in den Bodenseebereich und in die Alpen erlangt hat.

Entsprechend beträchtlich ist die Verkehrsbelastung mit heute über 60.000 Kfz/Tag im Stadtbereich Ravensburg.

In der Folge ergaben sich in den vergangenen Jahren unzumutbare Verkehrsverhältnisse für Anlieger und Autofahrer durch Lärm, Abgase und Staus, weshalb der Bau einer Ortsumgehung zwischen Baindt und Ravensburg zur Entlastung der Ortsdurchfahrten und zur Verbesserung der Verkehrssicherheit besonders vordringlich wurde.

Angesichts des beachtlichen Umfanges wurde die Gesamtmaßnahme im Bereich Baindt und Ravensburg in 6 Bauabschnitte aufgeteilt. Schon 1981 wurde der erste Bauabschnitt begonnen. Im Frühjahr 1989 wurden die Lärmschutzberechnungen überarbeitet und damit die Grundlage für den ergänzenden Planfeststellungsbeschluss geschaffen, der insbesondere die Zusage der Straßenbauverwaltung enthielt, einen Wettbewerb für den Ersatz von Lärmschutzwänden durch bepflanzte Lärmschutzsysteme durchzuführen.

Die Gestaltung der Lärmschutzanlagen war Aufgabe eines verwaltungsinternen Arbeitskreises, der anregte, den Bauabschnitt Ravensburg/Nord - Ravensburg/ Süd (Bauabschnitt V) als Modellfall für einen Gestaltungswettbewerb mit Einbindung der Lärmschutzanlagen in die umgebende Stadtlandschaft vorzusehen.

Vier private Planungsteams erarbeiteten im Frühjahr 1990 Lösungsvorschläge. Die Jury, die sich aus leitenden Mitarbeitern der Straßenbauverwaltung, der staatlichen Hochbauverwaltung und der Stadt Ravensburg zusammensetzte, entschied sich letztlich für den Vorschlag einer großzügigen Auffüllung des Geländes entlang des Westhanges an der Schüssen in Verbindung mit Stützmauern, Galerien und einem Tunnel im Bereich der kreuzenden Meersburger Straße.

Die Jury sah die gestellten Aufgaben des Lärmschutzes auf diese Weise in umweltverträglicher und landschaftsgerechter Weise erfüllt und übernahm auch die im Lösungsvorschlag vorgesehenen roten diagonalen Stahlrohrstützen als ästhetisch befriedigendes, bauwerkstypisches Kennzeichen für die „Ravensburger Galerie".

2. Bauwerksentwurf

2.1 Tunnelbauwerk (BW 21)

Wegen der sehr schiefwinkligen Überführung der Meersburger Straße und aufgrund der Lärmschutzberechnungen, wurde zwischen der nördlichen und südlichen Galerie ein Tunnelbauwerk als Grünbrücke von 230,85 m Länge erforderlich.

2.1.1 Baugrund- und Grundwasserverhältnisse

Der Bauabschnitt V der neuen B 30 verläuft im Bereich des Tunnels und der Galeriebauwerke am westlichen Rand der Schussentalebene im Übergangsbereich zur Talflanke. Das Gelände ist am Fuß der Talflanke durch Hangquellmoore und in der Talebene als staunasse Auewiesen charakterisiert.

Vor rund 10.000 Jahren, zum Ende der letzten Vorlandvereisung, ist das Schussental von einer Gletscherzunge des großen Rheingletschers erfüllt gewesen. Der Eisstrom hat eine wannenartige Hohlform in die Sandstein- und Mergelformationen der oberen Süßwassermolasse eingeschmolzen, die von unten nach oben mit Beckensand, Beckenton und zum Hang hin aufsteigenden Abschlämmassen gefüllt ist. Nach oben hin wird dieses Schichtpaket von zwei nacheiszeitlichen Schichten, nämlich dem von der Schüssen abgelagerten Talkies und den Hochflutbildungen der Talaue überlagert.

Der Talkies stellt dabei einen über die ganze Talebene verbreiteten Grundwasserleiter dar. In der Tiefe folgt im Bereich des Beckensandes ein weiterer Grundwasserleiter, dessen Tiefengrundwasser über die Abschlämmassen an den Talflanken zutage tritt und auch unterirdisch in den Talkies übertritt.

Die als Gründungshorizont für den Tunnel anstehenden Abschlämmassen an der Talflanke erwiesen sich wegen ihres instabilen Korngefüges und ihrer Druckwasserführung als äußerst schwieriger Baugrund, der sowohl für die Gründung, als auch für die Bauwerkskonstruktion besondere Maßnahmen erforderlich machte.

2.1.2 Gründung

Der Entwurf sah die Errichtung des Bauwerkes im Schütze eines temporären, die gesamte Baugrube umschließenden rückverankerten Baugrubenverbaus vor. Zur Stabilisierung der Bodenschichten wurde eine Grundwasserabsenkung und -entspannung über Tiefbrunnen vorgesehen. Der Tunnel ist auf den anstehenden Beckentonschichten und Abschlämm- massen flach gegründet. Ungeeignete Bodenmassen werden ausgetauscht. Auf dem anstehenden Boden wird eine 50 cm starke Kiesfilter- Schicht aufgebracht.

2.1.3 Konstruktion und Betontechnologie

Wegen der starken Inhomogenität des Baugrundes wurde der Tunnel als fugenloses Bauwerk auf seine gesamte Länge vorgesehen. Die unterschiedlichen Baugrundverhältnisse wurden durch eine Variation des Bettungsmoduls in Längs- und Querrichtung berücksichtigt.

Zur geplanten fugenlosen Bauweise des Tunnels und der Galerien wurde ein betontechnologisches Gutachten erstellt.

Für den wasserdichten Konstruktionsbeton der Betonfestigkeitsklasse B 35 bei einer Rissweitenbeschränkung auf W < 0,15 - 0,20 mm, forderte das Gutachten geringe Wärmeentwicklung, niedrige Schwindverformungen und eine möglichst kleine Temperaturdehnung.

Die wichtigsten betontechnologischen Angaben sind:

  • Frischbetonkonsistenz KR
  • 300 kg/m3 PZ 35 L NW-HS
  • 70 kg/m3 Flugasche
  • 145 kg/m3 Wasser (w/z = 0,48)
  • 3,5 ml/kgZ Betonverflüssiger
  • 20 ml/kgZ Fließmittel
  • 1.956 kg/m3 Zuschlag
  • Frischbetontemperatur > 20° C.

Als konstruktive Maßnahmen forderte der Entwurf eine Mindestlängsbewehrung von 20,1 cm2/m in Fundamenten und Sohlplatte und 11,3 cm2/m in Wänden und Decke bei einem Stababstand von a = 10 cm und kleinen Betonierabschnitten von maximal 10 m Länge.

Die Ausschreibung sah außerdem ein umfangreiches Nachbehandlungsprogramm mit einer Nachbehandlungsdauer von mindestens 8 Tagen vor.

2.1.4 Querschnitt

Der Querschnitt ist als eine zweizeilige Tunnelröhre mit einer Systemstützweite von 2 x 12,25 m und einer lichten Rohbauhöhe von 5,35 bzw. 5,40 m entworfen.

Die lichte Rohbauweite beträgt in jeder Röhre 11,6 m mit 9,30 m Fahrbahnbereich und zwei Notgehwegen von 1,10 m bzw. 1,20 m.

Der Fahrbahnaufbau wird im Bereich des Tunnelbauwerkes wie auf der freien Strecke durchgeführt und setzt sich zusammen aus:

freie Strecke und Galerie:

  • 4,0 cm Splittmastix 0/11 S mm
  • 8,0 cm  Asphaltbinder 0/16 S mm
  • 10,0 cm Bitum. Tragschicht
  • 20,0 cm Kiestragschicht
  • 20,0 cm Frostschutzschicht (i.M.)

Tunnel

  • 4,0 cm Asphaltbeton 0/11 S PmB u. hellem Edelsplitt
  • 4,0 cm Splittmastix 0/11 mm
  • 1,0 cm Dichtung 2 lag. bitum. Dichtungsbahn auf Betonversiegelung.

Die Tunneldecke besteht aus Betonfertigteilen in Verbindung mit einer Ortbetonplatte. Im Bereich der kreuzenden Meersburger Straße (L 288) ist die Decke für Brückenklasse 60/30 (DIN 1072) und MLC 50/ 50-100 und Schwerlastfahrzeug p = 2320 KN bemessen.

Das gesamte Bauwerk ist schlaff bewehrt. Die Tunneldecke ist an ihrer Oberseite mit einer einlagigen Bitumenbahn abgedichtet und mit 10 cm Schutzbeton, sowie einer Drainmatte (3,5 cm) gesichert.

Die erdberührten Flächen sind mit einem Schutzanstrich nach „DICHT 12" und einer Drainmatte versehen, hinter welcher zum Erdreich hin eine Kiesfilterschicht (16/32) angeordnet ist.

Zwischen dem Tunnel und den Galerien wurden in Decke und Wänden Raumfugen mit Fugenbändern und in der Sohle wasserdichte Übergangskonstruktionen vorgesehen.

2.2 Nördliche und Südliche Galerie (BW 20 a + 20 b)

2.2.1 Baugrund- und Grundwasserverhältnisse

Im Bereich der Galerien wurden die gleichen Baugrund- und Grundwasserverhältnisse angetroffen, wie im Tunnelbereich.

2.2.2 Gründung

Die Galerie ist unter der westlichen, massiven Abschlusswand und unter der östlichen Fachwerkwand flach auf Streifenfundamenten gegründet. Als Bodenverbesserung ist im Bereich der nördlichen, mit 599,40 m wesentlich längeren Galerie, eine Rüttelstopfverdichtung im Raster von 1 ,50 - 2,00 m im gesamten Fahrbahnbereich durchgeführt. Der Stopfsäulendurchmesser beträgt 0,80 m. Aus Gründen des Bauablaufes (gleichzeitige Erstellung von Tunnel und Nördlicher Galerie) wurde für die mit 75,60 m wesentlich kürzere Galerie ein Bodenaustausch als Baugrundverbesserung eingebracht, so dass kein Umsetzen der schweren Rüttelstopfgeräte erforderlich wurde.

Über der Bodenverbesserung wurde als unmittelbarer Gründungshorizont ein Kiessandpolster 0/56 mit einer Stärke von 0,52 m vorgesehen.

Im Bereich der nördlichen Galerie sind zwei Geh- und Radwegüberführungen (BW 19 a und BW 20) monolithisch mit dem Galeriedeckel verbunden.

Ihre Widerlager und Pfeiler in der Talaue sind auf Bohrpfählen gegründet. Die über einen auf der Galerie angeordneten Pylon geführten Tragseile der Überführungen sind an der erdseitigen Galeriewand in Stahlbetonrippen verankert.

2.2.3 Konstruktion und Betontechnologie

Die Galerien sind als offene Rahmenkonstruktion konstruiert. Der hangseitige Rahmenstiel besteht aus einer 70 cm dicken, massiven Stahlbetonwand. Der talseitige Rahmenstiel ist als Verbundstützenreihe ausgebildet, die genau in der Achse der B 30 geführt wird.

Die Verbundstützenreihen weisen einen V-förmigen Verband auf, der mit den Streifenfundamenten biegesteif verbunden ist, während der Galeriedeckel über Betongelenke auf der Verbundstützenreihe aufgelagert ist.

Die Verbundröhre bestehen aus St 37.3 (406,4 x 16 im ca. 1,2 m hohen Fußbereich, 406,4 x 8 im übrigen Schaftbereich) und sind mit B 35 gefüllt.

Der Aufbau des Deckels als Verbundkonstruktion zwischen Stahlbetonfertigteilen und Ortbetonplatte entspricht dem der Tunneldecke.

Beim Bau der Galerie waren dieselben betontechnologischen Maßnahmen wie beim Tunnel zu treffen, da der Entwurf auch hier eine fugenlose Bauweise in Längsrichtung vorsah.

Bei der ca.600 m langen Südlichen Galerie wurden zwei Dehnfugen vorgesehen, die in der Ausbildung dem Anschluss der Galerie an den Tunnel entsprechen.

2.3 Entwässerung und Technische Ausrüstung

Tunnel und Galerien werden über Längs- und Querleitungen entwässert. Die Bauwerke sind mit Beleuchtungseinrichtungen, sowie mit elektrischen Anlagen für Wartung und Betrieb ausgestattet.

An den Übergängen zum Gelände und in den Tunnelportalbereichen sind Zäune zur Absturzsicherung vorgesehen.

Kappen und Gesimse erhalten eine Hydrophobierung an der Oberfläche. Der Stützensockel wird beschichtet, die Stahlstützen feuerverzinkt und beschichtet.

3. Bauausführung

Da der ausgeschriebene Entwurf keine Sonderentwürfe zuließ, entsprach die Ausführung in allen Punkten dem vorgegebenen Entwurf. Auch die Ausführungsunterlagen wurden in Anbetracht der Besonderheit des Bauwerkes vom Bauherrn gestellt. Tunnel und Galerien wurden in Takten von 10,80 m Länge hergestellt. Für die Fertigstellung eines Taktes wurde eine Woche benötigt.

3.1 Galerie

Die zum Bau eines Galerieabschnittes erforderlichen Hilfsgerüste für die Montage der Verbundstützen, die Schalung der hangseitigen Galeriewand und die Unterstützung der Decken-Fertigteile wurden dreifach vorgehalten, um in Anbetracht der langen, geforderten Nachbehandlungszeiten den geplanten Wochentakt einhalten zu können.

Die Betonierarbeiten liefen in 5 Takten, nämlich

  • Fundamente, beidseitig
  • Wand, hangseitig
  • Stützensockel, talseitig
  • Stützenverfüllung

Ortbeton für die Decke

Die jeweils vier Stahlrohre für die Verbundstützen eines Abschnittes wurden mit am Stützenfuß angeschweißten Anschlusseisen in einem Spezialgerüst justiert und fixiert und in die Schalung für den Fundamentsockel eingestellt.

Beim Füllen der Stützen wurden gleichzeitig die Betonschergelenke an den Stützenköpfen mit hergestellt.

Die Fertigteile der Decke wurden auf nur zwei Hilfsjochen an den Trägerenden verlegt. Für eine dritte Jochuntersützung in Feldmitte wären Hilfsfundamente erforderlich gewesen.

3.2 Tunnel

Im Tunnel waren nur drei Betoniertakte, nämlich

  • Sohle
  • Wände
  • Ortbeton für die Decke

erforderlich.

Alle horizontalen Arbeitsfugen zwischen Bodenplatte und Tunnelaußenwänden wurden mit Fugenblechen 300 x 2 mm gesichert.

Für das Verlegen der Deckenfertigteile im Tunnelbereich konnten wegen der durchgehenden Bodenplatte jeweils 3 Hilfsjoche je Fertigteil eingesetzt werden.

Schalung und Hilfsgerüste zum Bau eines Tunnelabschnittes wurden zur Einhaltung eines Wochentaktes ebenfalls dreifach vorgehalten.

4. Literatur

[1] Kreativ planen - Ideenwettbewerbe bei der Straßenplanung „Projekt B 30 Umgehung Ravensburg" Schriftenreihe der Straßenbau-Verwaltung Baden-Württemberg Heft 5

[2] B 30 Ulm-Friedrichshafen Ortsumgehung Ravensburg; Festschrift zur Verkehrsfreigabe

[3]Hilsdorf, Hubert K.: Betontechnologische und ausführungstechnische Maßnahmen bei der Erstellung des Tunnels und der Galerie im Zuge der B 30 - Umgehung Ravensburg; Zwischenbericht (unveröffentlicht) der Universität Karlsruhe

[4] Bernhardt, Klaus: Arbeitstagung Brücken- und Ingenieurbau Dresden (11. -13.06.1996). Besonders gestaltete Bauwerke im Zuge der Umgehung Ravensburg (unveröffentlich)

 

  • Region: Ravensburg, Baden-Würtemberg
  • Tunnelnutzung: Straße
  • Bauherr: Land Baden-Würtemberg vetr. durch das Regierungspräsidium Tübingen
  • Planer: Leonhardt, Andrä u. Partner
  • Bauausführung: Arge: Georg Reischl GmbH & Co. KG, A. Hangleiter GmbH & Co. KB
  • Gesamtlänge: 231 m (Tunnel BW21), 599 m (Galerie Nord), 76 m (Galerie Süd)
  • Lichte Weite: 2 x 11,50 (BW21), 11,50 (BW20a/b)
  • Kosten: 13,7 Mio. DM (Tunnel BW 21), 17,6 (BW 20a/b)
  • Bauzeit: 12/1992 bis 02/1995 (27 Monate)