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Alte Burg

1. Aufgabenstellung

Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit (VDE) Nr. 16 verbindet die Thüringer Landeshauptstadt Erfurt über eine Gabelung bei Suhl mit den fränkischen Zentren Schweinfurt/Würzburg (A 71) bzw. Coburg/ Bamberg(A73). Dabei muss der Thüringer Wald als natürliche Barriere überwunden werden. Der Neubau der A 71/ 73 bildet zum einen den für die Entwicklung des Freistaates Thüringen wichtigen Brükkenschlag nach Bayern und verbessert zum anderen auch die Verkehrsbeziehungen innerhalb des Landes erheblich. Standortnachteile für ansässige Unternehmen werden ausgeglichen, Wirtschaftszentren gestärkt und gleichzeitig das nachgeordnete Straßennetz entlastet. In Verbindung mit der sinkenden Lärm- und Schadstoffbelastung wirkt sich I die gute infrastrukturelle Anbindung ebenfalls fördernd auf die Fremdenverkehrswirtschaft aus.

Im Kernbereich des Thüringer Waldes, einem Landschaftsschutzgebiet, muss der Rennsteig, der berühmte Kammweg des Mittelgebirges, gequert werden. Die Länge der Querung beträgt rund 20 km. Mit seiner dichten Reihung von Talbrücken und Tunnel kommt dem Streckenabschnitt zwischen der Anschlussstelle (AS) Gräfenroda und dem Autobahndreieck (AD) Suhl eine herausragende Bedeutung im Zuge des Neubaus der A 71/73 zu. Bei Planung und Bau der Autobahnen wurde und wird den ökologischen Belangen ein ganz außerordentlicher Stellenwert beigemessen. Dieser Zielsetzung wird in besonderer Weise damit Rechnung getragen, dass ein großer Teil der Kammquerung unter Tage erfolgt. Hierfür stehen mit Gesamtlänge von rd. 12,6 km die vier Tunnelbauwerke Alte Burg, Rennsteig, Hochwald und Berg Bock. Dabei ist der Tunnel Rennsteig mit einer Länge von rund 7,9 km der längste Straßentunnel Deutschlands. Die Kammquerung ist eine der ingenieurtechnisch und logistisch wohl anspruchsvollsten Aufgaben, die der DEGES (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) bisher übertragen wurden.

Die Reihenfolge der Tunnelbeschreibungen folgt dem Verlauf der A 71 von Nord nach Süd. Ergänzend zu den Darstellungen der einzelnen Tunnel werden mit den Bauvorhaben in Zusammenhang stehende übergreifende Themen wie u. a. Umwelt, Logistik und Geologie beleuchtet.

2. Bauwerksentwurf

2.1 Herausforderung: Massenausgleich

Bei der Herstellung der vier Tunnel mit einer Gesamtlänge von rd. 12,6 km war der Transport eines Ausbruchvolumens von 2,4 Mio. m3 zu bewältigen. Hierbei galt es, die Belastung der Bundes- und Landesstraßen mit Schmutz und erhöhtem Verkehrsaufkommen durch Baufahrzeuge so gering wie möglich zu halten. Um den gesetzten Ansprüchen des Umweltschutzes gerecht zu werden, musste ein Hauptziel des Logistik-Konzeptes der weitestgehende Wiedereinbau der anfallenden Ausbruchsmassen in die Trasse der A 71 sein. Alle anfallenden Erdstoffe wurden aufbereitet. Dazu war die Auswahl dreier Standorte als Zwischendeponien und Aufbereitungs- Stätten notwendig. Um den Transport der Erdstoffe über die Trasse ermöglichen zu können, musste die Fertigstellung der Talbrücken frühzeitig erfolgen. Als vorgezogene Maßnahmen wurden hierfür die Talbrücken aus dem Planfeststellungsverfahren herausgenommen und stattdessen frühzeitige Plangenehmigungsverfahren eingeleitet.

2.2 Geologische Verhältnisse

Der Thüringer Wald ist ein reizvoller Bestandteil der deutschen Mittelgebirgslandschaft. Von Nordwesten aus der Gegend um Eisenach kommend, verläuft er über fast 70 km bis zu den Ausläufern des Thüringisch- Fränkischen Schiefergebirges im Südosten. Schon in vorgeschichtlicher Zeit führten Handelswege über die 15-20 km breite und bis fast 1.000 m hohe natürliche Barriere zwischen den zwei frühzeitig landwirtschaftlich und industriell erschlossenen Landstrichen. Die A 71 bündelt als moderner Verkehrsweg nun den bislang auf verschiedene Bundesstraßen verteilten Schwerlastverkehr und entlastet so die Umwelt.

Im Zeitraum des Karbon brachten gewaltige erdinnere Kräfte das Variszische Gebirge, ein mit der Ausdehnung der Alpen vergleichbares Faltengebirge, hervor. Der Verlauf dieser Faltung lag quer zum heutigen Thüringer Wald. Die Gebirgsketten waren durch hochgradig verfestigte Gesteine, deren Ursprung in Meeresablagerungen zu suchen ist, gekennzeichnet. Der einsetzende Abtragungsprozess ebnete den Gebirgsrumpf bis auf wenige Reste wieder ein. Im Zuge dieses Prozesses entstanden vor 300 bis 270 Millionen Jahren durch Anhäufung von Ablagerungsschutt die charakteristischen Gesteinskomplexe des Thüringer Waldes. Parallel dazu kamen, durch für die Zeit des Unterperm typischen Vulkanausbrüche, abgelagerte Aschen und Schlacken, so genannte Tuffe zu Tage. Auch bei diesen kam es zur Abtragung und Vermischung mit dem bereits vorhandenen Gebirgsschutt. Die im Zuge der A 71 angeschnittenen Gesteinsabfolgen werden als Oberhof-Goldlauter- und Georgenthal-Formation bezeichnet.

Das Gebirge im Tunnel Alte Burg und im Zentral und Nordabschnitt des Tunnels Rennsteig besteht aus vulkanischen Gesteinen und Tuffen, die der Oberhof-Formation zugeordnet werden. Sie ist die zeitgeschichtlich jüngste der durch die hier beschriebenen Tunnel angeschnittenen Formationen und in ihrer Entstehungsphase durch heftige vulkanische Aktivitäten gekennzeichnet.

Im Südteil des Tunnels Rennsteig werden kiesig-sandige und schluffig-tonige Sedimentgesteine durchfahren. Diese über 1000 m mächtige Sedimentfolge entstand durch Ablagerungen in temporär rege von Tieren und Pflanzen besiedelten Seen- und Sumpflandschaften. Diese breiteten sich in Senken an den Rändern der Bergmassive aus. Von diesen Rändern her schoben sich während der Bildung der Goldlauter- Formation mächtige Schwemmfächer in die Senken des Thüringer Waldes.

Die von den Geologen als Georgenthal-Formation bezeichnete Gesteinsfolge setzt sich aus geröllführenden Kiesen, Sanden, Tonen, vulkanischen Gesteinen, so genannten Latiten, und Tuffen zusammen. Sie wird im Mittelteil des Tunnels Berg Bock aufgeschlossen.

Der Beginn der Bildung des Thüringer Walds, wie wir ihn heute wahrnehmen, liegt etwa 100 Millionen Jahre zurück. Damals schob sich im Süden die afrikanische Kontinentalplatte und die alpine Gebirgsfront gegen die europäische Kontinentalplatte. Dem anstehenden enormen Druck hielt die europäische Kontinentalplatte nicht stand. Sie zerbrach in einzelne Bruchschollen, die teilweise an den Bruchlinien emporgehoben wurden. So entstanden unsere Mittelgebirge und damit auch der schmaIe Gebirgshorst des Thüringer Waldes. Eine bedeutsame Bruchzone, die Fränkische Linie, wird im Südwesten vom Tunnel Berg Bock angeschnitten. Dieser Hebungsprozess ist zeitlich im Verlauf der Oberkreide und des Tertiärs anzusiedeln.

Die Zeugen des maritimen Charakters der Landschaft während des Zechsteins und der Triadenperiode (also vor der Hebung) sind auf den Höhen des Thüringer Waldes längst durch den erneuten Angriff von Verwitterung abgetragen. Das heutige Tal- und Flusssystem ist vor allem im Eiszeitalter, dem Pleistozän, ausgebildet worden. Unterschiedliche Zusammensetzungen der durch Abtragung der oberen Deckschichten freigelegten Gesteine bedingen deren unterschiedlich starken Grad der Verwitterung. Dies führte zur Ausformung des heutigen Reliefs des Thüringer Waldes. So hat die relativ große Verwitterungsanfälligkeit des Granits im Talkessel von Suhl/ Zella-Mehlis zu überwiegend flachen Hangformen geführt. Dem gegenüber finden wir in der Kammregion des Thüringer Waldes vorherrschend schroffe, steile Berghänge und Felsklippen (Goldlauter-Formation und Oberhofer-Rhyolithkomplex).

2.3 Vorerkundungen

Die Erkundung des Gebirges bis auf die Tiefe, in welcher das Gebirge später von den Tunnelröhren durchzogen werden soll, bildete den Anfang der Aktivitäten. Hierfür wurden entlang der geplanten Tunnelachsen in kurzen Abständen Probebohrungen gesetzt. Diese gaben Aufschluss über Art und Zustand des anstehenden Gesteins, Störungen, Verwerfungen und Klüfte, über Gesteinsserienwechsel sowie Grund- und Bergwasser. Auch die Gefahr von Hohlräumen, wie alte Bergstollen, konnte so eingegrenzt werden.

Seismische Untersuchungen untermauerten diese Aussagen. Dabei wurden die Tatsachen, dass Gesteinsgrenzen seismische Wellen reflektieren und dass sich die seismischen Wellen in verschiedenen Gesteinsschichten in unterschiedlicher Geschwindigkeit fortsetzen, ausgenutzt.

Geoelektische Untersuchungen, bei denen die unterschiedlichen elektrischen Widerstände der einzelnen Gesteine gemessen wurden, rundeten das Bild der Vorerkundungen ab.

Die Bohrlöcher wurden darüber hinaus zu Untersuchungen der Lage und Eigenschaften des Grund- und Bergwassers genutzt. Durch Wasserabpressversuche wurde die Wasserdurchlässigkeit des Gebirges bestimmt. Einige Bohrungen baute man zu Grundwassermesspegeln aus. Diese gaben über die gesamte Planungs- und Bauzeit hinweg Auskunft über die Grund- und Bergwasserstände. Diese liegen von Natur aus sehr tief, was eine Beeinträchtigung der Vegetation auf den Berghängen durch lokale Grundwasserabsenkung ausschloss. Der oberflächliche Abfluss wurde durch die Absenkmaßnahmen ebenfalls nicht gestört.

Nach einer sorgfältigen Dokumentation und Aus- Wertung aller Messergebnisse war eine wissenschaftlich begründete Prognose der Beschaffenheit des Gebirges entlang der Trasse möglich.

2.4 Laufende Untersuchungen

Die laufende Prüfung der tatsächlichen Situation vor Ort ist in jeder Phase des Auffahrens eines Tunnels unerlässlich. Hierbei mussten die Geologen Hand in Hand mit den Mineuren arbeiten. Es wurden nach Möglichkeit täglich Ortsbrustaufnahmen erstellt. Diese geben unter anderem Aufschluss über auftretende Gesteinsarten, Trennflächen, Wasserzutritte und auffällige Besonderheiten.

Außerdem wurden laufend Verwitterungsklassen, Wasserzutritt, eingebaute Sicherungsmittel, Profilgenauigkeit des Aufbruches, Vortriebsleistung und Verformungen des Tunnelquerschnitts dokumentiert.

2.5 Informationsrücklauf

Es erfolgte ein ständiger Abgleich der gemessenen Werte mit der zuvor abgegebenen Prognose. Damit wurden den Ingenieuren von den Geologen die entscheidenden Informationen an die Hand gegeben, um die erforderlichen Konsequenzen für das weitere Vorgehen in ganz bestimmten Bereichen ziehen zu können.

Am Tunnel Rennsteig stieß man zum Beispiel beim Ausbruch des Zuluftstollens für die spätere Luftaustauschzentrale Flößgraben auf den stark wasserführenden alten Bergstollen der Grube „Reinhilde". Auf diesen Altbergbau hatte es im Vorfeld weder in der Literatur noch im Zuge der Voruntersuchungen Hinweise gegeben. Geologen und Mineure mussten sich spontan auf die neue Situation einstellen und mit weiteren Altbergbaustollen im Verlauf des Vortriebs rechnen.

Die Summe aller geologischen Erkenntnisse stellt neben ihrer Bedeutung für den ungehinderten Baufortschritt auch eine unerlässliche Grundlage für die Planung zukünftiger Umbau- und Instandsetzungsmaßnahmen dar.

2.6 Betriebs- und sicherheitstechnische Ausstattung

„Der sicherste Tunnel Europas ist der Tunnel Rennsteig". Dies war das Ergebnis eines im Jahr 2004 durchgeführten Tests des ADAC.

Bei allen Tunneln im Zuge der A 71 hatte die Betriebssicherheit von Beginn an höchste Priorität. Sie verfügen über getrennte Röhren je Richtungsfahrbahn. In regelmäßigen Abständen sichern teilweise befahrbare Querstollen den Fluchtweg. Schutzräume, Pannenbuchten und Notrufnischen in ausreichender Zahl runden das Sicherheitskonzept ab.

Weitere Betriebs- und Sicherheitseinrichtungen sind: Beleuchtung, Verkehrsleiteinrichtungen, Funkanlagen für Radio und Mobiltelefone, Brandmelder, Feuerlöschanlagen, Videoüberwachung sowie Sensoren für die Wärme-und Schadstoffemission. Rund um die Uhr werden die von diesen Einrichtungen eingehenden Daten in einer Zentralen Betriebsleitstelle gebündelt und überwacht. Das Herausnehmen eines beliebigen Feuerlöschers zum Beispiel wird in der Zentralen Betriebsleitstelle sofort registriert und hat ein Herabsetzen der zul. Höchstgeschwindigkeit der folgenden Fahrzeuge auf 60 km/h sowie ein Hochfahren der Tunnelbeleuchtung auf 100% zur Folge. Ein Brand wird entweder automatisch durch die Brandmeldeanlage oder durch Handmelder angezeigt. Für den Brandfall wurden zusätzlich zur normalen Fluchtwegkenn- Zeichnung Orientierungsleuchten eingebaut, die auch bei starker Verrauchung eine sichere Orientierung im Tunnel gewährleisten.

Die Lüftung wird im Normalbetrieb durch Trübsichtmessstellen und CO-Messstellen gesteuert. Weiterhin ist das Lüftungsprogramm mit der Brandmeldeanläge gekoppelt.

Das verkehrstechnische Konzept mit Anlagen zur Stauvorwarnung und Tunnelsperrung sowie Wechsel- Verkehrszeichen geht über die eigentlichen Tunnelröhren hinaus. Es schließt die Autobahnauffahrten im Bereich der Kammquerungen ein.

Eine Funkanlage sichert die Kommunikation der Rettungsdienste in den Tunnelröhren. Über einige im Tunnel zu empfangende Radiosender ist ein Kontakt mit den Tunnelnutzern möglich. Die An- Weisungen über Radio und über die Durchsageanläge sind in drei Sprachen verfügbar.

Zwischen den Tunneln Rennsteig und Hochwald wurde die Zentrale Betriebsleitstelle für die Bundesautobahnen des Freistaates Thüringen eingerichtet. Hier werden nicht nur die Daten aus den bereits fertig gestellten Thüringer Tunneln, sondern auch die der zukünftig geplanten Tunnelbauwerke und Verkehrsbeeinflussungsanlagen zusammengeführt.

3. Bauausführung

3.1 Bauweise

Bei allen Tunnelröhren im Zuge der A 71 erfolgten der Vortrieb und die Sicherung nach den Prinzipien der Spritzbeton-Bauweise. Ziel dieser Bauweise ist es, die Gebirgsauflockerungen so gering wie möglich zu halten und möglichst schnell einen Kraftschluss mit dem Gebirge herzustellen. Das hat eine Reduktion der Belastungen auf das endgültige Bauwerk zur Folge.

Das Grundprinzip der Bauweise beruht auf einer wechselnden Folge von Ausbruch (gebirgsschonende Sprengung bzw. mechanischer Ausbruch mit Baggern) und Sicherung der Hohlräume. Je nach den angetroffenen Gebirgsverhältnissen kann der bergmännische Vortrieb im Vollausbruch oder im Teilausbruch erfolgen.

Wenn der Ausbruch durch Sprengung erfolgt, werden pro Abschlag etwa 100 Löcher ins Gestein gebohrt und mit Sicherheitssprengstoff besetzt. Die Abschlagslänge wird durch das Gebirgsverhalten bestimmt, und variiert zwischen 1 m bei brüchigem und 4 m bei stabilem Gebirge. Unmittelbar nach dem Ausbruch erfolgt die Sicherung der Laibung durch eine Kombination von Spritzbeton, Ausbaubögen, Betonstahlmatten, Ankern und Spießen. Die Wahl des Sicherungsverfahrens richtet sich nach den angetroffenen Gebirgsverhältnissen. Die Wirksamkeit der Sicherung muss laufend mit einem geotechnischen Messprogramm überprüft und dokumentiert werden.

Die Abdichtung erfolgt durch eine lose zwischen der äußeren und inneren Schale verlegten einlagigen Kunststoffdichtungsbahn auf Geotextil. Über diese so genannte „Regenschirmabdichtung" wird anfallendes Bergwasser in zwei seitlich angeordnete Drainageleitungen im Bereich der unteren Ulmen gefasst und mit dem Tunnelgefälle abgeführt. Zur Reinigung der Drainageleitungen sind im Abstand von rd. 50 m Spülschächte angeordnet. Das Entwässerungssystem ist durch Querleitungen und zusätzliche Revisionsschächte so gestaltet, dass der Spülaufwand dem örtlich vorliegenden Anfall von calcitabscheidenden Wässern abschnittsweise angepasst werden kann. So können Versinterungen (Kalkablagerungen) verhindert und die Wartung dennoch wirtschaftlich gestaltet werden.

Nach dem Abklingen der Gebirgsverformungen erfolgt der endgültige Ausbau. Dieser besteht aus einer mindestens 35 cm dicken, bewehrten Ortbeton- Innenschale.

Die Innenschale wurde in Blöcken von 12 m Länge unter Einsatz von Gewölbeschalwagen hergestellt. Diese Schalwagen können verfahren, abgesenkt und eingeklappt werden und eignen sich somit sehr gut für den Einsatz im Tunnelbau. Im Tunnel Rennsteig waren fünf solcher Schalwagen im Einsatz. Betoniert wurde im Tagestakt, d.h. rd. 12 Stunden nach Abschluss der Betonage wurde der Schalwagen versetzt und die Arbeiten am nächsten Block vorbereitet. Hinter dem Schalwagen sorgten bis zu vier hintereinander geschaltete so genannte Nachbehandlungswagen dafür, dass der Beton vor zu schnellem Auskühlen geschützt wurde. Dafür wurden auf Stahlkonstruktionen wärmedämmende und wasserdichte Matten angebracht. Die Temperatur und die Luftfeuchte im Spalt zwischen den Matten und der frischen betonierten Innenschale wurden ständig gemessen und über Wasserkühlung reguliert. Auf diese Weise konnte jeder Block allmählich an das Klima im Tunnel angepasst werden.

Betreut durch die Bundesanstalt für Straßenwesen wurde im Zuluftstollen für die Luftaustauschzentrale Kehltal (Tunnel Rennsteig) eine einschalige Versuchsstrecke eingebaut. Auf dieser sollen Erfahrungen im Rahmen des Forschungsprojektes „Untersuchungen über die Beanspruchung einschaliger Verbundkonstruktionen im bergmännischen Tunnelbau" gesammelt werden. In Kombination mit der einfachen Schale kommt ein System zu freien Gebirgsentwässerung zum Einsatz. Es wurden auf einer Länge von insgesamt 80 m fünf verschiedene Schalenvarianten untersucht. Dabei variiert die Schalenstärke zwischen rd. 47 cm (zweischalige Regelbauweise) und 32 cm. Die Herstellung erfolgte in zwei Lagen. Im ersten Schritt wurde eine Außenschale in konventioneller bewehrter Spritzbetonausführung hergestellt. Im zweiten Schritt brachte man entweder eine Lage aus Stahlbeton (bewehrt/unbewehrt) oder eine Spritzbetonlage (Mattenbewehrung/ Stahlfaserbewehrung) auf.

3.2 Tunnel Alte Burg

Die ehemalige Bundesfamilienministerin Claudia Nolte stand Pate beim mit 874 m Länge kürzesten Tunnel.

Südwestlich von Geschwenda beginnend, durchdringt er den Höhenrücken Alte Burg bis vor das Schwarzbachtal. Das Tunnelgefälle beträgt konstant 2,5% zum Ostportal hin. Beide Röhren wurden, am östlichen Portal beginnend, bergmännisch vorgetrieben. Nur die Herstellung der Portalblöcke erfolgte in offener Bauweise. Die Gestaltung der senkrechten Portale mit Natursteinverkleidung orientierte sich an der Landschaft und der im Westen anschließenden Schwarzbachtalbrücke.

Der Tunnel durchörtert einen Bereich von mittel bis stark geklüfteten Quarzporphyren, Konglomeraten, Sandstein, Schluff und Tonstein verschiedenen Alters. Diese Verhältnisse erwiesen sich aus geologischer Sicht als günstig für den Tunnelvortrieb. Doch der Berg hielt für die Mineure eine Überraschung bereit. In einer Verwerfungszone des Gebirges wurde wahrscheinlich in früheren Zeiten Mangan abgebaut. Nach Einstellung der Abbautätigkeit hatte man den Stollen mit Grus wieder verfällt. Als nun dieser alte Stollen im Zuge der Tunnelherstellung angefahren wurde, ergossen sich rund 2.000 m3 Schlamm und Grus in den Tunnel. Der Schlot wurde sofort mit Beton plombiert. Dann konnte die Störzone aus fast voll ig entfestigtem Material unter dem Schutz einer Rohrschirmsicherung durchfahren werden.

In den Röhren laufen die Leitungen dreier voneinander unabhängiger Entwässerungssysteme. Zum einen wird das anfallende Bergwasser und zum anderen das Schlepp- und Reinigungswasser abgeleitet. Weiterhin wird die Entwässerungsleitung der Schwarzbachtalbrücke durch die südliche Röhre geführt.

Der Tunnelanschlag am 19.9.1998 markiert den Beginn der Vortriebsarbeiten. Zu einer Unterbrechung der zügigen Arbeiten kam es 130 m vor dem Durchschlag durch den Schlammeinbruch am 30.6.1999. Der Tunneldurchschlag an den Westportalen erfolgte am 9. bzw. am 18.11.1999. Nachdem die Röhren für den Erdtransport genutzt wurden, schloss man den Innenausbau im August 2002 ab.

3.3 Tunnel Rennsteig

Der Tunnel Rennsteig ist mit 7.916 m Länge der westlichen Röhre der längste Straßentunnel Deutschlands. Tunnelpatin war Frau Christiane Herzog, die Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog.

Der Tunnel durchdringt das Gebirge vom westlichen Hang der Wilden Gera aus und endet mit dem Südportal kurz vor der Anschlussstelle Oberhof. Im durchörterten Gebirge sind vorwiegend permische Gesteine anzutreffen, die der Oberhofer Porphyrplatte zuzuordnen sind. Diese Platte stellt ein Haupt- Verbreitungsgebiet der Vulkanite im Thüringer Wald dar.

Im Tunnel liegt mit rd. 670 m über dem Meeres- Spiegel der höchste Punkt der A 71. Die maximale Überlagerung des Tunnels beträgt trotzdem noch 205 m. Die maximale Längsneigung beträgt 2%. Zur Anpassung an die Geländeverhältnisse wurden beim Nordportal die Stirnwände der Röhren um 5 m und beim Südportal um 10 m versetzt angeordnet.

Die Topografie differiert entlang der Tunnelachse stark. Die Höhen liegen zwischen 865 m ü.N.N (Tragberg) und 600 m ü.N.N. (in den Zwischentälern). Zwangspunkte für die Höhenlage waren die Zwischentäler des Gebirges, die mit etwa 6-20 m Überdeckung unterfahren wurden sowie der bereits im Gebirge vorhandene Tunnel Brandleite. Dieser in den Jahren 1881-1884 entstandene Eisenbahntunnel ist 3 km lang. Im Vorfeld wurden die Varianten Unter- bzw. Überfahren des Tunnels Brandleite untersucht. Der Trassenführung oberhalb des Tunnels im Bestand wurde der Vorzug gegeben, da hierbei geringere Einflüsse auf das vorhandene Bauwerk zu erwarten waren.

Es wurden vier Varianten für die Querung des Hauptkammes des Thüringer Waldes untersucht:

Variante 1: zwei Tunnel (2.700 m und 2.200 m) kombiniert mit drei Brücken (eine zwischen den Tunneln und zwei in deren Anschluss); im Süden ein weiterer Tunnel von 1.050 m (Trasse des Raumordnungsverfahrens)

Variante 2: ein 5.310 m langer Tunnel gefolgt von zwei Brücken, im weiteren Verlauf analog Variante 1

Variante 3: ein langer Tunnel, mit Luftaustauschzentralen im Kehltal und im Flößgraben; Gradientenführung so, dass Angriffsmöglichkeiten für den bergmännischen Vortrieb in drei Zwischentälern (Kehltal, Flößgraben und Bäckerbachtal) sichergestellt sind; Überquerung des Tunnels Brandleite im Abstand von rd. 7 m

Variante 4: zwei Tunnel (2.620 m und 4.370 m), dazwischen nur eine Brücke über das Kehltal.

Nach Abwägung der Kriterien Verkehr, Bautechnik, Umwelt und Kosten fiel die Entscheidung zu Gunsten der Variante 3. Die vollständige Untertunnelung stellt den besten Schutz und die minimal mögliche Störung für das Landschaftsbild einschließlich Flora und Fauna dar. Außerdem bietet diese Lösung eine bessere Verkehrsqualität und mehr Verkehrssicherheit, da ein häufiger Wechsel zwischen Tunnel und offener Strecke (Hei l-/Dunkeleffekt für den Verkehrsteilnehmer) sowie störende Witterungseinflüsse, wie Glatteis und Nebel, vermieden werden. Die Kosten des langen Tunnels decken sich mit denen der anderen Lösungen.

Als bauliche Sicherheitseinrichtungen wurden in beiden Röhren 12 Pannenbuchten im Abstand von maximal 700 m eingerichtet. Mindestens alle 350 m sind beide Röhren mit Querstollen verbunden, wovon jeder zweite, kombiniert mit einer Pannenbucht, befahrbar ist. Die im Regelquerschnitt vorgesehenen beidseitigen Notgehwege runden das bauliche Sicherheitskonzept ab.

Eine Herausforderung bei einem solch langen Tunnel stellt die Lüftungsproblematik dar. Die maximal mögliche Tunnellänge für eine Längslüftungslösung mit Strahlventilatoren beträgt 3 km. Das Gebirge bot durch seine Topografie, genauer durch die zwei querenden Täler Kehltal und Flößgraben, eine natürliche Hilfe bei der Lösung des Belüftungsproblems. In den querenden Tälern wurden Luftaustauschzentralen angeordnet, die die zusätzlich erforderliche Belüftung sicherstellen. Dadurch entstanden drei annähernd gleichlange Lüftungsabschnitte von 2,5 km Länge. Die Zuluftstollen haben einen Durchmesser von 6 m und können somit als zusätzliche Zufahrt für Rettungs- und Wartungsfahrzeuge genutzt werden.

Die Bergwasserstände liegen bereichsweise oberhalb und zum Teil unterhalb der Gradiente. Der maximale Grundwasserstand über der Gradiente liegt bei rd. 85 m. Im Kreuzungsbereich mit dem Tunnel Brandleite liegt er 20 bis 30 m unter der Gradiente.

Der Tunnelvortrieb erfolgte nach dem Prinzip der Spritzbetonbauweise. Dabei musste der Regelquerschnitt bereichsweise in Kalotte, Strosse und Sohle unterteilt werden. In günstigen Gebirgsklassen konnte im Vollausbruch aufgefahren werden. Das standfeste Gebirge ließ weitestgehend eine unbewehrte Innenschale mit Regenschirmabdichtung zu. Sie wurde mit insgesamt 5 Schalwagen (Blocklänge 12 m) hergestellt. DerSohlbereichwurde im standfesten Gebirge als offene Sohle und in verwitterungsempfindlichen Böden als Sohlplatte ausgeführt. Sohlgewölbe wurden dort eingebaut, wo das Gebirge Druck auf die Sohle ausübt.

Die Überquerung des Eisenbahntunnels Brandleite stellte eine Herausforderung an alle Beteiligten dar. Als Gebirgsfeste zwischen den Ausbauten der beiden Tunnel verblieben nur 6 bis 7 m. Sowohl das Gebirge als auch der Ausbau des Brandleitetunnels, bestehend aus einer Bruchsteinüberfirstung mit kraftschlüssiger Hinterpackung, waren in gutem Zustand. Deshalb konnte die Sperrung des Eisenbahnverkehrs auf die kurze Phase der Sprengung des Tunnels Rennsteig begrenzt werden. Beim Vortrieb des Autobahntunnels wurde mit der Weströhre im guten Gebirge begonnen. In der Oströhre erfolgte ein vorauseilender Kalottenvortrieb mit reduzierter Kalottenhöhe als quasi Pilotstollen. Die verbleibende Gebirgsfeste zum Eisenbahntunnel hin wurde mit Vernagelung und Injektion gesichert. Erst danach wurden Strosse und Sohle ausgebrochen.

Die Bauarbeiten am Tunnel Rennsteig wurden am 26. August 1998 mit dem ersten Spatenstich eingeleitet. Im Folgenden wurden beide Röhren gleichzeitig von beiden Portalen aus aufgefahren. Am 22. November 2000 waren mit dem letzten Durchschlag beide Röhren durchgängig. Die Betonage der Innenschalen war im Oktober 2002 abgeschlossen. Nach Beendigung der Ausbauarbeiten konnte am 5. Juli 2003 der Tunnel und mit ihm der gesamte Abschnitt der Kammquerung im Zuge der BAB A 71 für den Verkehr freigegeben werden.

3.4 Tunnel Hochwald

Der Tunnel unterquert den Höhenrücken des Hochwaldes. An der Senke Schneidersgrund am Nordrand von Zella-Mehlis beginnend durchdringt er das Gebirge auf einer Länge von 1056 m und endet am Rand des Industriegebietes nördlich von Suhl. Gisela Huber, die Frau des DEGES-Aufsichtsratsvorsitzenden Ministerialdirektor Dr.-lng. Dr.-lng. E.h. Jürgen Huber, war die Patin dieses Tunnels.

Der Tunnel wurde auf einer Länge von rd. 1.040 m in bergmännischer Bauweise erstellt. Im Bereich der Portale kommt auf 7,50 m bzw. 10,40 m Länge die offene Bauweise zum Einsatz. Unmittelbar hinter dem Nordportal folgt im Zuge der A 71 die Anschlussstelle Oberhof. Für die Ein- und Ausfädelspuren war in diesem Bereich eine Verbreiterung des Tunnelquerschnitts um 3,50 m erforderlich.

Die beiden Röhren sind im Abstand von rd. 360 m durch Querstollen verbunden.

Alle anfallenden Fahrbahnwässer werden über Schlitzrinnen bzw. Rohrleitungen zur Aufbereitung in ein Sammelbecken geleitet. Das Bergwasser fließt getrennt davon unbehandelt in den Vorfluter.

Mit dem Tunnelanschlag am 15.9.1998 begann der Vortrieb beider Röhren vom Südportal aus. Im Oktober 1999 waren beide Röhren durch den Berg getrieben. Am 5.11.2001 konnte der Teilabschnitt zwischen den Anschlussstellen Oberhof und Suhl/ Zella-Mehlis für den Verkehr freigegeben werden.

3.5 Tunnel Berg Bock

Der Tunnel Berg Bock bildet den südlichen Abschluss der „Thüringer Tunnelkette". Er beginnt unmittelbar hinter der Steinatalbrücke, durchquert den Berg Bock und endet im Süden zwischen der Linsenhof- Siedlung und Suhl-Albrechts. Die Sportschützin Anke Schumann hatte die Patenschaft über den 2.738 m langen Tunnel übernommen.

Das zu durchörternde Gestein setzte sich aus ganz unterschiedlichen Gesteinskomplexen zusammen. An den Suhler Granit im Norden schließen sich Wechsellagen von Ton-, Schluff- und Feinsand durchsetzt mit Konglomeraten an. Danach folgen die Latite der Georgenthal-Folge und im Süden Bunt- Sandstein.

Im Abstand von 680 m wurden die Röhrenquerschnitte für die Anlage von Pannenbuchten aufgeweitet. Neun Querstollen verbinden die Röhren. Sie haben einen Abstand von rd. 300 m zueinander. Drei von ihnen sind befahrbar.

Eine unvorhersehbare geologische Situation zwang die Mineure zur Herstellung eines Bohrrohrschirms als vorauseilende Sicherung. Hierfür wurden 40 Bohrrohre von 15 m Länge im Abstand von 35 cm angeordnet und mit Zement-Bentonit-Suspension verfällt. Sowohl beim Kalotten- als auch beim Sprossenvortrieb wurden je Röhre drei überlappende Rohrschirme hergestellt.

Als zeitlich letzter wurde der Tunnel Berg Bock am 17.3.2000 angeschlagen. Auch hier kam die Spritzbeton- Bauweise zum Einsatz. Der Ausbruch erfolgte für beide Röhren gleichzeitig von beiden Portalen aus. Dieses Vorgehen ermöglichte es, den Zeitaufwand für den Vortrieb auf ein Jahr zu begrenzen. Die gesamten Rohbauarbeiten, einschließlich der Erstellung der Abdichtung und der Innenschale, nahmen zweieinhalb Jahre in Anspruch. Am 20. Dezember 2002 hieß es dann „Verkehr frei!" für den Abschnitt zwischen der AS Suhl/Zella-Mehlis und Meiningen.

4. Literatur

[1] Bundesministerium für Verkehr, Bau- und

Wohnungswesen

Herausgegeben durch:

DEGES, Deutsche Einheit

Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH:

Verkehrsprojekte Deutsche Einheit Nr. 16

A 71 Erfurt-Schweinfurt/A73 Suhl-Lichtenfels

6 Tunnel der A 71 in Thüringen

 

  • Land: Deutschland
  • Region: Thüringen
  • Tunnelnutzung: Verkehr
  • Nutzungsart: Autobahntunnel
  • Auftraggeber: DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH
  • Planung: VBM/Scetauroute
  • Ausführung: Schachtbau Nordhausen/Leonhard Weiß
  • Bauweise: Geschlossen
  • Vortrieb: Sprengvortrieb
  • Auskleidung: Ortbeton
  • Anz. Röhren: 2
  • Gesamtlänge: 2 x 874 m
  • Querschnitt: Hufeisenprofil 76,3 bis 94,2 m²
  • Kosten Rohbau: 43 Mio. DM
  • Bauzeit: August 1998 bis voraussichtlich 2003
  • Inbetriebnahme: 2003