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Tunnel Eching, BAB A96

1. Aufgabenstellung

Die Bundesautobahn A 96 Lindau - München wird nach ihrer Fertigstellung den Großraum München mit dem Raum Allgäu/Bodensee auf einer Gesamtlänge von 173 km verbinden. Sie verknüpft nicht nur das süd- und südwestdeutsche Fernstraßennetz untereinander und schließt in Lindau an das weiterführende Autobahnnetz in Richtung Österreich und Schweiz an, sondern entlastet zugleich die Bundes- Straßen B 12 und B 18 und damit auch die vom Durchgangsverkehr in den Ortsdurchfahrten betroffenen Städte und Gemeinden.

Kilometerlange Staus und erschreckende Unfallzahlen im nördlich des Ammersees gelegenen Abschnitt Greifenberg - Inning machten auch dort den Ausbau der völlig überlasteten Bundesstraße B 12 zur A 96 erforderlich. Einen wichtigen Teil dieses Ausbaus stellt der Tunnel Eching dar, der zwischen den Flußläufen der Amper und der Windach in der wasserwirtschaftlich und landschaftlich sensiblen nördlichen Verlandungszone des Ammerseebeckens liegt.

Die B 12 verläuft hier durch das Gemeindegebiet von Eching und trennt den Ortskern vom südlich gelegenen Ortsteil Kaaganger. Zur Wiederherstellung der Einheit der Ortschaft und zur besseren Einpassung der Ausbaustrecke in die Landschaft, aber vor allem auch zur Entlastung der Anwohner von Lärm- und Abgasimmissionen mußte die Trasse auf eine Länge von 684 m in Tieflage geführt werden. Mit der Überdeckung eines Trassenabschnittes von 400 m war deshalb ein Tunnelbauwerk mit anschließenden Trogbauwerken in den Rampenbereichen zu errichten. Die Tunnelkonzeption wurde wesentlich durch die Linienführung der Strecke, die sich im Ergebnis des Raumordnungsverfahrens an den Bestand der B 12 anpaßt und somit s-förmig mit wechselnder Querneigung verläuft und durch die Lage des gesamten Bauwerkes im Grundwasser bestimmt. Im Interesse einer harmonischen Einpassung der Tieferlegungsstrecke in die örtliche Bebauung wurde die Gestaltung des Bauwerkes, insbesondere der Rampen und Tunnelportale, und der Landschaftsbau einem Gestaltungswettbewerb unterzogen.

2. Bauwerksentwurf

2.1 Baugrund- und Grundwasserverhältnisse

Da die geologischen und hydrologischen Verhältnisse wesentlichen Einfluß auf die Planung und Bauausführung hatten, wurden bereits in der Vorbereitung des Bauvorhabens umfangreiche Erkundungsbohrungen (53 Stück) und Grundwasseruntersuchungen in Bezug auf das Strömungsverhalten vorgenommen.

Im östlichen Bereich durchfährt der Tunnel einen Schwemmkegel aus sandigem, schwach schluffigem Kies mit einer Mächtigkeit von i. M. 7 m. Die geologischen Verhältnisse auf der Westseite sind aufgrund der dort vorgefundenen Talauffüllung, bestehend aus ausgewaschenem Moränematerial und umgelagerten tertiären Sedimenten mit weicher bis breiiger Konsistenz, hingegen relativ schwierig. Die Bohrungen haben zudem ergeben, daß auf ca. 300 m im Bereich des Bauwerkes schluffige Sande, sandig-tonige Schluffe sowie schluffig-sandige, kiesige Tone in horizontaler und vertikaler Richtung fließend ineinander übergehen.

Neben den inhomogenen Baugrundverhältnissen erforderten vor allem die sich über die Tunnellänge ändernden, komplizierten Grundwasserströmungen Maßnahmen im Bau- und Endzustand.

Im Westteil des Bauwerkes fließt das Grundwasser von West nach Ost. Im östlichen Teil verflacht sich das Gefalle und die Fließrichtung schwenkt nach Südost in Richtung Ammersee. Ohne technische Vorkehrungen würde durch den Tunnel ein Grundwasseraufstau entstehen. Im Bauwerksentwurf wurden deshalb entsprechende Wasserüberleitungen vorgesehen. Diese bestehen aus je zwei Dükern im Westen und Osten beidseitig des Bauwerkes. Das Grundwasser wird dabei im Westen aufgefangen, etwa 200 m nach Osten abgeleitet und dort wieder versickert. Eine völlige Sperrung des Grundwasserstromes war aus wasserwirtschaftlicher Sicht auch im Bauzustand nicht tragbar, deshalb mußte das Bauwerk abschnittsweise hergestellt werden.

Um den Eingriff in das Grundwassersystem so gering wie möglich zu halten, wurde das Tunnelbauwerk möglichst oberflächennah geführt. Dennoch taucht das Bauwerk auf fast der gesamten Länge in das Grundwasser ein, bei höchstem Grundwasserstand bis zu 4,0 m.

2.2 Tragwerk, Abdichtung

Die Wahl des Tragwerkes für das 684 m lange Bauwerk wurde vorrangig durch den Querschnitt der Autobahn, die Bauweise und das anstehende Grundwasser bestimmt.

Der mit der Abdeckung der Strecke auf einer Länge von 400 m entstehende Tunnel besteht aus einem zweizeiligen geschlossenen Rechteckrahmen mit lichten Weiten von je 11 m und einer lichten Höhe von 4,80 m. Die lichte Höhe steht über die gesamte Breite der Fahrstreifen zur Verfügung, da die erforderlichen Leuchten über den Notgehwegen angeordnet sind. Auch in den Rampenbereichen, in denen sich rechteckige Trogbauwerke an die Tunnelportale anschließen, wird der Regelquerschnitt 26 Tr mit zwei getrennten Richtungsfahrbahnen einschließlich Standstreifen und beidseitigen Notgehwegen weitergeführt. Die Gesamtbreite ergibt sich somit zu 24,60 m bei einer maximalen Höhe von 8,0 m.

Der Regelquerschnitt kommt nahezu im gesamten Tunnelbereich unverändert zur Anwendung. Lediglich in den jeweils ersten 35 m hinter den Portalen sind geringfügige Änderungen vorhanden, da in diesen Bereichen an den Wänden eine Lärmschutzbekleidung eingebaut ist. Wände und Deckel sind ferner im jeweils ersten Block im Portalbereich verstärkt.

Der Tunnel wurde statisch als zweizeiliger geschlossener Rechteckrahmen entworfen und ausgeführt. Das gesamte Bauwerk besteht aus Beton B 25. Die Außenwände, die Decke und die Sohle sind nach dem Prinzip der „wasserundurchlässigen Betonkonstruktion" ohne außenliegende Abdichtung hergestellt.

Da die Portale des Tunnels bereits unter Geländeniveau liegen, sah der Bauwerksentwurf vor, die Decken in den Portalbereichen halbkreisförmig auszubilden. Vor den Tunnelportalen war jeweils auf einer Länge von 75 m eine Mittelwand zu errichten, die dem Lärmschutz dient und die Zu- und Abluftströme der Richtungsfahrbahnen trennt.

Im gesamten Rampenbereich sowie in den ersten 35 m der Tunnelröhre wurden an den Wänden Lärmschutzbekleidungen angebracht. Bei den Tunnelaußenwänden konnte der Platz für die 15 cm dicke Lärmschutzbekleidung durch eine Reduzierung der Wanddicke gewonnen werden. Das war aufgrund der relativ geringen Erdüberdeckung dieser Bauabschnitte und daraus resultierender geringerer Wandbelastung möglich.

An die westliche 134 m lange Rampe schließen Stützwände mit einer Länge von 32 m im Norden und 66 m im Süden an, die der rückwärtigen Anschüttung von Lärmschutzwänden dienen. Den Abschluß der östlichen Trogwände und der westlichen Stützwand bilden Flügelwände, deren Oberkante jeweils in das künftige Gelände ausläuft. Die trogförmigen Tunnelrampen bilden mit der Doppelröhre eine wasserundurchlässige Betonkonstruktion.

Im Ergebnis des Gestaltungswettbewerbes sollte im Bauwerksentwurf Bezug auf den nahegelegenen Ammersee genommen werden. Deshalb wurde als baulicher Abschluß der Tunnelmittelwand - im Bereich des östlichen und westlichen Portals - als Symbol das sogenannte „Ammersee A" aufgestellt. Die Fertigteile in gestocktem B 25 sind ca. 3,5 m breit und 8 m hoch, wobei sie das Ende der Tunnelmittelwand um 3,5 m in der Höhe überragen.

 2.3 Betriebseinrichtungen, Ausstattung

 Zum Betrieb und zur Überwachung der technischen Ausrüstung des Tunnels war ein dreigeschossiges Betriebsgebäude, angeordnet etwa in Tunnelmitte, mit integriertem, tiefliegendem Regenrückhaltebecken erforderlich. In dieses 85 m3 fassende Regenrückhaltebecken, das aus einem kleineren Schmutzwasserbecken und aus einem Regenwasserbecken besteht, wird das Oberflächenwasser von den Fahrbahnen und Notgehwegen über Stahlbetonschlitzrinnen, die an den tieferliegenden Fahrbahnrändern liegen, geleitet. Das Tunnelwaschwasser sowie das verunreinigte Niederschlagswasser bei Beginn eines Regenereignisses, der sogenannte erste Spülstoß, gelangen über Schachtablaufe mit Schlammfang und Tauchwand über die Entwässerungsleitung DN 500 in das Schmutzwasserbecken. Dieses Abwasser wird über eine Hebeanläge zu einer Leichtstoffabscheideranlage gepumpt, von wo aus es in freiem Gefalle dem öffentlichen Kanal zufließt. Das Regenwasser aus dem größeren Becken wird ebenfalls gehoben und dem Autobahnentwässerungskanal zur Versickerung zugeführt.

Aufgrund der Kürze des Tunnels und der Trennung der Richtungsfahrbahnen konnte auf Be- und Entlüftungseinrichtungen verzichtet werden. Ebenso brauchten keine Halte- und Abstellbuchten angeordnet werden, zumal mit den durchgehenden Standspuren Raum für Wartung, Kontrollen und bei Unfällen vorhanden ist. Die Innenbeleuchtung des Tunnels mit einer Not- und Sicherheitsbeleuchtung ist über Adaptationsstrecken an die Außenbeleuchtung angepaßt. Die Stromversorgungskabel verlaufen in Kabelschutzrohren, die sich unter dem Notgehweg befinden. An den Tunnelportalen sind Notrufeinrichtungen angeordnet, in Tunnelmitte befindet sich in jeder Röhre eine von der Fahrbahn durch eine Tür abgetrennte Notrufstation mit Feuerlöscher. Über den Fahrstreifen wurden Linienbrandmelder angebracht. Für Notfälle ist in Tunnelmitte eine Verbindungsöffnung zum Übergang von der einen Tunnelröhre in die andere vorhanden.

Der Tunnelbetrieb ist weitgehend automatisiert. Die Notruf- und Störmeldungen werden zur ständig besetzten Verkehrsrechnerzentrale München-Freimann übertragen. Bei Brand, Überschreitung des Kohlenmonoxidgrenzwertes oder Verkehrsstörungen (Überlastung, Unfall) wird die Tunneleinfahrt automatisch gesperrt

2.4 Bauweise

Das Bauwerk wurde in offener Bauweise hergestellt. Um die Aufrechterhaltung des Verkehrs auf der B 12 zu gewährleisten und wegen der den Baubereich querenden Wasser- und Abwasserleitungen konnte das Bauwerk nicht in einem Zuge errichtet, sondern mußte in drei Bauabschnitte gegliedert werden.

Zur Wasserhaltung mußten für sieben einzelne Baugruben jeweils Brunnen angelegt und Grundwasserabsenkungen vorgenommen werden. Nach völliger Umschließung jeder einzelnen Baugrube mit Spundwänden erfolgte der Erdaushub bis jeweils 50 cm unter die Ankerlagen. Erst nach dem Spannen der Anker und der Grundwasserabsenkung konnte der vollständige Baugrubenaushub ausgeführt werden. Mit seiner Lage im Grundwasser auf gesamter Länge bewirkt das Bauwerk einen Grundwasserstau, der entsprechende Maßnahmen zur Wasserüberleitung erforderlich machte. Hierfür mußten unter der westlichen und östlichen Bauwerkshälfte zwei Düker, die durch eine Längsleitung verbunden sind, angeordnet werden. Das Grundwasserwird im Westen aufgefangen und gesammelt, etwa 200 m nach Osten geführt, um dort wieder zu versickern.

Der Tunnel wie auch die Trogbauwerke waren als wasserundurchlässige Stahlbetonkonstruktion ohne außenliegende Abdichtung herzustellen. Durch den Einsatz von WU-Beton in Verbindung mit einer Vielzahl betontechnologischer, konstruktiver und ausführungstechnischer Maßnahmen mit dem Ziel der Zwangsverminderung im noch jungen Beton und damit der Rissevermeidung konnte ein wasserundurchlässiger Betontrog bzw. -rahmen hergestellt und auf die relativ aufwendige Außendichtung verzichtet werden.

Aus lichttechnischen Gründen wurden im Tunnel Betonfahrbahnen und unter Berücksichtigung lärmschutztechnischer Kriterien außerhalb des Tunnels Fahrbahndecken aus Drainasphalt vorgesehen.

3. Bauausführung

Die Rohbauarbeiten für den Tunnel und das Betriebsgebäude wurden innerhalb der Europäischen Gemeinschaft im offenen Verfahren ausgeschrieben. Den Auftrag auf das Hauptangebot erhielt eine Münchner Tochtergesellschaft einer österreichischen Firma.

Das Bauvorhaben wurde nach dem ausgeschriebenen Bauwerksentwurf ausgeführt, lediglich die ursprünglich vorgesehene halbkreisförmige Deckenform der Portale wurde durch eine parabelförmige Ausbildung mit Vouten ersetzt.

Nachdem im westlichen Teil des Baufeldes die Verlegung der B 12 nach Süden erfolgt war, konnte Mitte September 1993 mit dem Bau des Tunnels einschließlich der Rampen begonnen werden.

Das Tunnelbauwerk wurde in drei Bauabschnitten mit offenen Baugruben in Längen von 50 bis 145 m ausgeführt. Die Herstellung der Baugruben erfolgte in folgenden Arbeitsschritten:

  • Oberboden abtragen
  • Einspunden der Baugrube bis zu einer maximalen Tiefe von 15 m
  • Erdaushub zur Erstellung der Verpreßanker
  • Verpreßanker herstellen
  • Herstellen der Brunnen zur Grundwasserabsenkung
  • Pumpen des Grundwassers aus der Baugrube mit anschließender Filterung und Einleitung in die Windach
  • Erdaushub bis zur Gründungssohle

Innerhalb der einzelnen Baugruben wurde der insgesamt 24,60 m breite Tunnel in 10 m langen Blöcken hergestellt. Die Arbeitsfugen ergaben sich oberhalb des höchsten Grundwasserstandes an den Oberkanten der Außenwände. Die Sohle und die Außenwände wurden in einem Zuge betoniert. Mittelwand und Decke konnten nachträglich in gesonderten Arbeitsgängen hergestellt werden.

In den Fugen zwischen den einzelnen Blöcken befinden sich Elastomerfugenbänder mit einvulkanisierten Blechstreifen und Injektionsschläuchen. Alle Fugen wurden zusätzlich durch außenliegende Fugenbänder gesichert. Damit ist das gesamte Tunnelbauwerk wasserundurchlässig und aufgrund seines Eigengewichtes auftriebssicher gegründet.

Nach abschnittsweiser Fertigstellung des Bauwerkes wurden die Baugruben verfüllt und die Spundwände gezogen.

Vor der Herstellung des mittleren und zugleich letzten Bauabschnittes erfolgte eine Umverlegung der Kaagangerstraße und der Zufahrt zur B 12 auf den inzwischen fertiggestellten östlichen Tunnelabschnitt. Um die B 12 kreuzungsfrei queren zu können, mußte eine Behelfsbrücke für den Fahrverkehr sowie ein provisorischer Fußgängerübergang errichtet werden.

Die Bauausführung konnte nach einer Bauzeit von 28 Monaten ohne besondere Vorkommnisse und Unfälle erfolgreich abgeschlossen werden.

4. Literatur

[1] Autobahndirektion Südbayern, München: Prospekt BAB A 96 Lindau - München Tunnel Eching am Ammersee

[2] Autobahndirektion Südbayern, München: Entwurfs- und Ausschreibungsunterlagen

[3] Krämer, J: Tunnel Eching am Ammersee Beitrag zum Schutze der Anwohner, Landschaft und Umwelt Zeitschrift Die Bauverwaltung + Bauamt & Gemeindebau 6/95

 

  • Region: Freistaat Bayern
  • Tunnelnutzung: Straße
  • Bauherr: Autobahndirektion Südbayern
  • Planer: PSP Beratende Ingenieure, Kling Consult
  • Bauausführung: Universale-Bau GmbH, München
  • Gesamtlänge: 134m + 400m + 150m
  • Querschnitt: 110,4 m²
  • Kosten: Rohbau: 34,7 Mio. DM, BTA: 3 Mio. DM
  • Bauzeit: 1993 bis Dezember 1995