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Tunnel Neuhof, BAB A66

1. Allgemeines

1.1 Aufgabenstellung

Die Bundesautobahn A 66 verknüpft das Oberzentrum Fulda an der A 7 mit dem Rhein-Main-Gebiet. Im Zuge des Weiterbaus der A 66 wurde im Bereich Neuhof eine ca. 7 km lange Lücke geschlossen. In diesem Abschnitt lehnt sich die neue A 66 eng an die Bahnstrecke Frankfurt-Göttingen an. Die DB AG plante parallel zur Straßenbaumaßnahme eine Linienverbesserung mit einer Ausbaugeschwindigkeit von 160 km/h in diesem Streckenabschnitt und den Umbau des Bahnhofes Neuhof. Nach Vorliegen des Planfeststellungsbeschlusses konnte im Herbst 2005 mit der gemeinsamen Neu- und Umbaumaßnähme von Straße und Schiene begonnen werden. Aufgrund der engen Verzahnung der verschiedenen Bautätigkeiten an Autobahn, Gleisen, Wasserwegen sowie Ver- und Entsorgungsanlagen wurde die Gesamtbaumaßnahme als Gemeinschaftsmaßnahme vergeben. Die Gesamtmaßnahme umfasste

  • den Neubau verschiedener Ingenieurbauwerke und den Streckenneubau mit allen Nebengewerken im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland
  • den Ausbau der Bahnstrecke Frankfurt-Fulda und den Umbau des Bahnhofes Neuhof im Auftrag der DB Netz AG die Errichtung einer P+R-Anlage im Auftrag der Gemeinde Neuhof.

Der 3,5 km lange Abschnitt zwischen Neuhof-Süd und Neuhof-Nord stellt den technisch anspruchsvollsten Teil des Lückenschlusses der A 66 dar. Herzstück ist der 1,6 km lange Tunnel Neuhof. Mit der Errichtung des Tunnels konnte die Lärm- und Abgasbelastung in der Ortslage Neuhof deutlich reduziert werden. Allerdings bedingte der Tunnelneubau zahlreiche Folgemaßnahmen an der vorhandenen Infrastruktur. Das gesamte Ver- und Entsorgungsnetz der Gemeinde und anderer Versorgungsträger musste neu konzipiert, der Flusslauf der Fliede verändert und die innerörtliche Hauptverbindungsbrücke über Schiene, Straße und Gewässer abgebrochen und neu errichtet werden. Die Realisierung der Gesamtbaumaßnahme trägt wesentlich zur Aufwertung der Lebensqualität in der Region bei. Neben der Reduzierung der Lärm- und Schadstoffemissionen wurde der Bahnhofsbereich u. a. um eine Fußgänger- Unterführung und eine P+R-Anlage ergänzt. Für die gesamte Region Osthessen stellt die fertige A 66 im Landkreis Fulda eine deutlich bessere Anbindung an das Rhein-Main-Gebiet mit allen Vorteilen einer guten Verkehrsinfrastruktur dar.

1.2 Bauwerksgestattung

Bei der architektonischen Gestaltung der Portale wurden die topografischen Besonderheiten am Bauwerksstandort berücksichtigt. Beide Portale wurden jeweils in der Einfahrtsrichtung auf der rechten Seite auf einer Länge von 40 m galerieartig geöffnet. Die Decke des Tunnelrahmens steigt in den letzten vier Blöcken kontinuierlich von 4,80 m auf 5,80 m an. Damit entsteht eine trompetenartige Aufweitung der Tunnelportale. Durch diese Maßnahmen gelingen die Einbeziehung der umgebenden Landschaft und eine Verbesserung des Lichteinfalls.

2. Bauwerksentwurf

2.1 Allgemeines

Aus wirtschaftlichen und hydrologischen Gründen verläuft der 1610 m lange Tunnel oberflächennah. Daher konnte er in offener Bauweise errichtet werden. Das Tunnelbauwerk ist bautechnisch m mehrere Abschnitte untergliedert. Im südlichen Abschnitt verläuft der Tunnel auf einem Damm und stellt eigentlich ein Einhausungsbauwerk dar, welches nachträglich überschüttet wurde. In diesem Bereich wird die verlegte Fliede im freien Durchfluss unter dem Tunnel hindurch geführt. Im mittleren Abschnitt taucht der Tunnel mit ca. 1,86 % Längsgefälle in das Gelände und das anstehende Grundwasser ein. Im Tiefpunkt verläuft die Tunneloberkante knapp unter dem vorhandenen Geländeniveau. Danach steigt die Gradiente im Tunnel mit einer Neigung von 1,65 % wieder an. In diesem Abschnitt wurden ein neuer Bahnsteig und die Abgänge zur Fußgängerunterführung teilweise direkt an der Tunnelaußenwand errichtet. Im nördlichen Abschnitt durchfährt der Tunnel den Opperzer Bergrücken mit einer Überschüttung von bis zu 13 m. Der Tunnel taucht hier wieder aus dem Grundwasser 122 Neubau Tunnel Neuhof (A 66) l. i auf und verläuft bis zum Nordportal oberhalb des Grund- Wasserspiegels. Die bergseitige Baugrubenböschung mit einer Neigung von 70° wurde mit einer rückverankerten Spritzbetonschale gesichert.

2.2 Konstruktion

Der Tunnel besitzt den Regelquerschnitt 26t entsprechend den „Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln (RABT)". Der Querschnitt setzt sich aus einer Fahrbahnbreite von 7,50 m je Richtungsfahrbahn sowie beidseitigen 1,0 m breiten Notgehwegen zusammen. Das Bauwerk wurde als zweizeiliger Rahmen ausgeführt. Er besteht aus einer wasserundurchlässigen Betonkonstruktion der Festigkeitsklasse C 30/37 entsprechend den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten (ZTV-ING)", Teil 5, Abschnitt 2. Im ersten Abschnitt ist der Rahmen offen und auf Streifenfundamenten und Bodenaustausch oberhalb des Grundwasserspiegels flach gegründet. In den anderen Abschnitten wurde das Bauwerk mit einer geschlossenen Rahmensohle ausgeführt und ebenfalls flach gegründet. Die Rahmenkonstruktion des Tunnels setzt sich aus 90 cm dicken Wänden und einer 1,0 - 1,20 m dicken Decke zusammen. Im Bereich des geschlossenen Rahmenprofils beträgt die Sohldicke 1,0 m. Die Tunnelblöcke sind im Abstand von 10 m durch Raumfugen mit innenliegenden Elastomerfugenbändern getrennt.

Hinter den galerieartig geöffneten Tunnelportalen schließen im Bereich der Tunnelvorfelder 30 m lange Lüftungstrennwände an die Mitteltrennwände des Nord und Südportals an.

2.3 Tunnelausstattung

Der Tunnel Neuhof wurde nach den RABT mit modernster Betriebs- und Sicherheitstechnik ausgestattet.

Beleuchtung

Die Beleuchtung des Tunnels ist einreihig außermittig über der Hauptfahrspur angeordnet, um im Falle einer Wartung der Beleuchtung nur eine Fahrspur sperren zu müssen.

Tunnellüftung

In beiden Röhren ist eine automatische Längslüftungsanläge installiert. Durch Sensoren, welche Trübung, CO und Strömungsgeschwindigkeit messen, werden die Ventilatoren für die Frischluftbelüftung automatisch aktiviert. Die Lüftung und die Entrauchung im Brandfall werden mit 16 reversierbaren Strahlventilatoren pro Tunnelröhre sichergestellt. An den Portalen verhindern Lüftungstrennwände, dass aus dem Ausfahrtsportal austretende Luft teilweise wieder in das Einfahrtsportal eingesaugt und dass im Brandfall Rauch in die zweite Röhre eingetragen wird.

Verkehrstechnische Einrichtungen im Tunnelvorfeld

Im Tunnelvorfeld und an beiden Portalen sind Lichtzeichenanlagen und Sperreinrichtungen vorhanden, um den Tunnel in Gefahrensituationen kurzfristig sperren zu können.

Sicherheitseinrichtungen

Flucht- und Rettungswege

In jeder Röhre gibt es zwei Nothaltebuchten, welche etwa in den Drittelspunkten der Gesamtlänge angeordnet sind. In den Bereichen der Nothaltebuchten sind Überfahrten mit Toren in der Tunnelmittelwand vorhanden. Fünf Fluchttüren in der Tunnelmittelwand ermöglichen eine Rettungsmöglichkeit in die zweite Röhre. Fünf weitere Rettungswege führen über Rampen und ein Treppenhaus ins Freie. Das Fluchttreppenhaus ist mit einer Überdruckbelüftung ausgestattet, welche automatisch aktiviert wird. Auf der den Querschlägen zugewandten Seite jeder Tunnelröhre wurden in Abständen ä 25 m kombinierte Fluchtwegkennzeichnungs- und Orientierungsleuchten angeordnet. Mittig zwischen diesen Leiteinrichtungen kennzeichnen zudem selbstleuchtende Markierungselemente auf den Notgehwegen die Fluchtwege. Hinweisleuchten zur Erkennung der Flucht- und Rettungswege sowie Notausgänge im Brandfall befinden sich im gesamten Tunnel, an den Notausgängen und im Betriebsgebäude. Zur Verbesserung der visuellen Führung sind auch die Fluchttüren und Überfahrten zwischen West- und Oströhre sowie die Notausgänge ins Freie mit LED-Leuchtband gekennzeichnet.

Notrufstationen

An der Tunnelaußenwand sind im Abstand von < 150 m die Notrufstationen mit Brandmeldeeinrichtung und Handfeuerlöscher angeordnet.

Kommunikationseinrichtungen

Zur betriebstechnischen Ausstattung gehören außerdem Lautsprecheranlagen, Tunnelfunk und Videoüberwachung. Der Tunnelfunk ist ausschließlich für Digitalfunk ausgelegt. Der Empfang mindestens eines Rundfunksenders mit Verkehrsfunkkennung (RDS) ist im Tunnel gewährleistet. Über das System ist das Einsprechen in die Radiofrequenz durch die Tunnelleitzentrale möglich. Die Videobilder der lückenlosen visuellen Überwachung der Tunnelröhren, Fluchtwege und Notausgänge sowie der Rettungszufahrt und des Betriebsgebäudes werden in die Tunnelleitstelle Hessen in Eschwege übertragen.

Zentrale Anlagen

Für den Tunnel Neuhof wurde ein Betriebsgebäude errichtet, in dem die Versorgungstechnik für das gesamte Bauwerk untergebracht ist. Am Tunneltiefpunkt befinden sich unter dem Betriebsgebäude noch das Rückhaltebecken und die Bevorratung der Löschwasserversorgung.

Steuerung

Der Tunnelbetrieb erfolgt vollautomatisch mit Fernbeobachtung und Bedienung durch die Tunnelleitzentrale in Eschwege. Von dort aus werden alle zur Steuerung und Visualisierung erforderlichen Anlagenkomponenten überwacht.

3. Bauausführung

Der Spatenstich für den Bauabschnitt Neuhof wurde am 06.10.2005 gleichzeitig mit den Baumaßnahmen der Deutschen Bahn AG vollzogen. Die zahlreichen Teilbaumaßnahmen konnten aufgrund der räumlichen und zeitlichen Abhängigkeiten nur gemeinsam in einem großen Bauvertrag übergreifend zwischen Schiene, Straße und gemeindlichen Anlagen erfolgreich realisiert werden. Die gemeinsame Abwicklung der Gesamtbaumaßnähme stellte eine besondere Herausforderung dar. In zahlreichen Detailabstimmungen wurden die unterschiedlichen Probleme, welche z. B. aus unterschiedlichen technischen Vorschriften der Baulastträger resultierten, gelöst. Der Kernbereich wurde als großer Bauauftrag mit vier Unterabschnitten europaweit ausgeschrieben und an eine Arbeitsgemeinschaft von drei Baufirmen vergeben. Die vertragliche Federführung der Gesamtabwicklung auf Auftraggeberseite oblag der Straßenbauverwaltung. In sich abgeschlossene Teilgewerke wurden auch eigenständig vom jeweils zuständigen Auftraggeber abgewickelt. Im März 2008 begannen die Baumaßnahmen am Tunnel. Bei der Herstellung des Tunnels erwies sich der mittlere Tunnelabschnitt mit einer Länge von ca. 800 m als der schwierigste. Er konnte erst nach dem Rückbau der alten Gleisanlagen und nach Fertigstellung der neuen Gleise hergestellt werden. Zur Wasserhaltung war ein wasserundurchlässiger Verbau mit Querschotten im Abstand von ca. 80 m notwendig. Der Verbau wurde in Teilbereichen als rückverankerte, überschnittene Bohrpfahlwand und in den übrigen Bereichen als rückverankerte Spundwand mit vertikaler Abdichtung hergestellt. Nach Fertigstellung des Bauwerkes wurden die Spundbohlen wieder gezogen. Die horizontale Baugrubenabdichtung gelang mit Hilfe einer 590 m langen, 1,0 m dicken unbewehrten Unterwasserbetonsohle. Die Sohle wurde im Kontraktorverfahren hergestellt und mit Verpressankern gegen Auftrieb gesichert. Oberhalb der Sohle erfolgte der Einbau einer 45 cm dicken Filterschicht, um eine Grundwasserumströmung des Tunnels nach Fertigstellung zu ermöglichen. Die sehr aufwändigen Arbeiten unter Wasser wurden durchgeführt, um eine Absenkung des Grundwasser- Spiegels zu vermeiden.

Der Bauablauf der Gesamtmaßnahme war auf Zug-und Sperrpausen auf der hochfrequentierten Bahnstrecke auszurichten. Während der gesamten Bauphasen mussten die vorhandenen Verkehre von Straße und Schiene durch die Baufelder der neuen Straße und neuen Schienen geführt werden. Hinzu kamen noch die innerörtlichen Fußgängerverkehre und die Bahnhofsnutzer, die die Baustelle nahezu während der gesamten Bauzeit kreuzen mussten. Die mehrjährige Baumaßnahme mit zahlreichen Abhängigkeiten unter laufendem Betrieb und im Bereich der engen Bebauung konnte auf der Basis jahrelanger ingenieurmäßiger Planungen und Koordinierungen erfolgreich abgeschlossen werden. Am 13.09.2014 wurde der Tunnel Neuhof für den Verkehr freigegeben.

4. Literatur

[1] Wagner, M.: Der Lückenschluss der A 66 im Landkreis Fulda.VSVI-Journal2014

[2] Wagner, M.: Der Bau der Bundesautobahn A 66 im Bereich Neuhof.VSVI-Vortragsveranstaltung 2013

[3] Konheiser, K.: Der Bau der A 66 im Kernbereich Neuhof. VSVI-Journal 1/2010

[4] Amt für Straßen- und Verkehrswesen Fulda: Der Bau der A 66 im Bereich Neuhof - „Operation am offenen Herzen". Informationsbroschüre Stand 10/2009

[5] Bruckner, K.; Hansel, U.; Pelke, E.; Sachs, F.: Chancen der Zusammenarbeit Straße - Schiene aus Sicht der Hessisehen Straßen- und Verkehrsverwaltung. Eisenbahn Ingenieur Kalender 2009 

 

  • Land: Deutschland
  • Region: Hessen
  • Tunnelnutzung: Verkehr
  • Nutzungsart: Straßentunnel
  • Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen
  • Planer: Amt für Straßen- und Verkehrswesen Fulda
  • Bauausführung: Arge BAB A 66 Neuhof: Hermann Kirchner Hoch- und Ingenieurbau GmbH/Hochtief Construction AG/Bickhardt Bau AG
  • Bauweise: Offen
  • Anz. Röhren: 1
  • Gesamtlänge: 1610 m
  • Querschnitt: RQ26t
  • Kosten: 53 Mio. Euro (Rohbau)
  • Bauzeit: 3/2008 bis 9/2014