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Grenztunnel Füssen, BAB A7

1. Aufgabenstellung

Die Bundesautobahn A 7 ist eine der wichtigsten deutschen Fernstraßenverbindungen. Mit derzeit 945,6 km ist sie die längste Autobahn Deutschlands. Im bayerischen Abschnitt Würzburg - Ulm - Kempten - Füssen endet die A 7 zur Zeit nordöstlich von Nesselwang mit einem provisorischen Anschluss an die Kreisstraße OAL 1.

Auf der österreichischen Seite stellt die Fernpass- Straße B 314 die wichtigste Verkehrsverbindung zwischen den westlichen Landesteilen Tirols und der Bundesrepublik Deutschland her. Mit einer Gesamtlänge von 55,7 km liegt ihre Hauptbedeutung im touristischen Bereich als Zubringer zu den alpinen Erholungsgebieten. Im Sommerreiseverkehr schafft sie zudem eine wichtige Verbindung über Brenner und Reschenpass nach Italien.

Bundesautobahn A 7 und Fernpass-Straße B 314 werden an der Bundesgrenze westlich von Füssen zu einer leistungsfähigen, grenzüberschreitenden Verkehrsverbindung verknüpft. Der Abschnitt vom provisorischen Autobahnende bei Nesselwang bis zur Anbindung an die Nordumfahrung Reutte bildet hierzu das fehlende Schlußstück. Kernstück dieser insgesamt rund 22 km langen Lücke im Fernstraßennetz ist der Grenztunnel Füssen. Von seiner Gesamtlänge (1284 m) entfallen 932 m auf deutsches Hoheitsgebiet, 352 m der Tunnelröhre liegen in der Republik Österreich.

Die ersten Planungsgedanken reichen sowohl auf deutscher, wie auch auf österreichischer Seite bis in die späten 60er Jahre zurück.

Die Planung sah eine im Gegenverkehr befahrene Tunnelröhre vor. Die Fahrbahn setzt sich aus zwei Fahrstreifen von Je 3,75 m und zwei Randstreifen von je 0,50 m zusammen. Die Fahrbahnbreite zwischen den Bordsteinen beträgt somit 8,50 m. Beiderseits sind Notgehwege mit einer Breite von 1,0 m angeordnet. Der Querschnitt hat die Abmessungen des Querschnittstyps 12T.

Die Lichtraumhöhe beträgt im Bereich des Fahrraumes 4,70 m. Zusätzlich zum Lichtraum wurde eine Bautoleranz von 5 cm berücksichtigt.

Die Röhre steigt vom Nord- zum Südportal zuerst mit einer Steigung von 0,5% (ca. 370 m) und die restliche Strecke mit 2,0% an. Der Ausrundungsradius der Wanne beträgt 40.000 m. Der Höhenunterschied der Tunnelportale beträgt 18 m.

In den Drittelspunkten befinden sich die beiden Pannenbuchten Nord und Süd mit beidseits jeweils ca. 40 m langen Abstellstreifen. Die Breite der seitlichen Abstellstreifen beträgt 2,50 m bzw. 2,60 m. Hier besteht eine Umkehrmöglichkeit für PKW und Klein- LKW (Wendekreisdurchmesser kleiner 13,50 m).

Die Gehwege im Bereich der Pannenbuchten sind 0,85 m breit; die Lichtraumhöhe beträgt im Bereich des Abstellstreifens 4,50 m.

Von der Pannenbucht Nord führt ein 434 m langer Fluchtstollen ca. 40 m westlich des Nordportals ins Freie. Der Querschnitt ist so bemessen, dass kleine Rettungsfahrzeuge ihn befahren können.

2. Bauwerksentwurf

2.1 Geologische Verhältnisse

Das Projektgebiet befindet sich im sogenannten Falkensteinzug, einem in Ost-West-Richtung verlaufenden Gebirgszug der nördlichen Kalkalpen. Der 1284 m lange, in Nord-Süd-Richtung verlaufende Tunnel kann baugeologisch grob in drei Hauptabschnitte unterteilt werden:

Bauabschnitt Nord (Hauptdolomit im Burkenbichlberg)

Im Burkenbichl beträgt die maximale Überlagerung 160 m. Der weitgehend standfeste Hauptdolomit weist eine deutliche, nahezu ortsbrustparallele Schichtung und Klüftung auf. Aufgrund der hohen Gesteinsfestigkeiten konnte das Gebirge nur im Sprengvortrieb gelöst werden. Zahlreiche spitzwinklig zur Tunnelachse verlaufende tektonische Störungen (Klüfte) brachten in diesem Bereich teils erhebliche Bergwassermengen (5-10 l/s). Am Übergang zu den Raibler Schichten nehmen Klüftung und Berg- Wasserführung deutlich zu.

Bauabschnitt Mitte (Raibler Schichten und Quartärabschnitt im Faulenbachtal)

Das als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesene Faulenbachtal wird relativ oberflächennah - mit einer minimalen Überdeckung von 20 m über Tunnelfirsts - unterquert.

Die im Faulenbachtal angetroffenen Raibler Schichten bestehen aus einer bunten Wechselfolge von Kalken, Dolomiten, Sandsteinen und Tonschluffsteinen, die größtenteils mechanisch unter Zuhilfenahme von Auflockerungssprengungen gelöst werden können. Ab Station 580 werden sie auf einer Tunnelstrecke von ca. 40 m von einer ursprünglich als „Quartärrinne" bezeichneten Lockersedimentabfolge unterbrochen.

Im Zuge der Bauarbeiten gewonnene geologische Erkenntnisse haben die ursprüngliche vermutete Rinnenstruktur dieser Abfolge allerdings nicht bestätigt. Vielmehr handelt es sich um eine durch Gipsauslaugung im Untergrund entstandene Doline, welche im Laufe der Zeit mit Lockersedimenten aufgefüllt worden war. Sowohl die nördlichen Raibler Schichten als auch Teile des Hauptdolomits waren offensichtlich im Lauf der Zeit in diese Doline nachgesackt. Dies führte zu einer weitgehenden Zerlegung des Gebirges in Schollen und Trümmer, die in einer unterschiedlich dicht gelagerten, lehmigen, wasserführenden Matrix eingebettet waren. Es ergaben sich damit äußerst schwierige geotechnische Verhältnisse beim Tunnelvortrieb.

Bauabschnitt Süd (Wettersteinkalk und Partnerschichten im Vilser Berg)

Im Vilser Berg wird bei einer maximalen Überlagerung von 210 m die Staatsgrenze nach Österreich unterquert. Der anstehende Wettersteinkalk ist hier weitgehend massiv und standfest ausgebildet. Die Bergwasserführung (Einzelzutritte bis zu 15 l/s) ist zumeist an Karstsysteme gebunden, die vor allem im Bereich verheilter tektonischer Störungen vermehrt angetroffen wird.

2.2 Tragwerk, Abdichtung

Die geometrische Form des Tunnelquerschnittes ist den felsmechanischen Eigenschaften des Gebirges angepasst und entspricht den tunnelbautechnischen Anforderungen.

Im Sohlbereich kamen zwei Ausführungstypen zur Anwendung. Im Bereich des Faulenbachtales kommt eine geschlossene Sohle mit einem normalen und flachen Sohlgewölbe zur Ausführung.

In den beidseitig anschließenden Bereichen erfolgt kein Sohlschluss.

Dem Tunnelentwurf lag eine zweischalige Bauweise (Spritzbetonsicherung / Betoninnenschale) zugrunde.

Prinzipiell kamen zwei unterschiedliche Abdichtungssysteme zum Einsatz:

Regenschirmabdichtung

Die „Regenschirmabdichtung" spannt sich über die Firste bis zur Fließsohle der Ulmdrainagen und besteht aus einer Lage Geotextil und einer 2 mm starken Abdichtungsbahn aus flexiblen Polyolefinen (FPO). Dieses Abdichtungssystem kam im nördlichen und südlichen Bauabschnitt, wo sowohl entlang der Ulmen als auch in der Sohle Drainageleitungen verlegt sind, zur Anwendung.

Druckdichte Rundum-Abdichtung

Die „Druckdichte Rundum-Abdichtung" kommt im Bereich des Faulenbachtales, wo der Tunnel nicht drainagiert ist, zur Anwendung. Hier ist der Tunnel auf einer Länge von 276 m druckwasserdicht ausgebildet (bis zu 50 m Wassersäule), um den Wasserhaushält im darüberliegenden Landschaftsschutzgebiet und auch die Notburga-Heilquelle in Bad Faulenbach nicht nachteilig zu beeinflussen.

Am Grenztunnel Füssen wurde erstmals im Verkehrstunnelbau das aus dem Kraftwerksbau bekannte „Kompaktverfahren" angewandt. Hier wird eine 3 mm starke Abdichtungsbahn aus FPO - ohne Geotextilhinterlegung - direkt auf den Abdichtungsträger verlegt. Bergseitig werden mittels „Vliessperren" definierte Abschottfelder mit einer Größe von ca. 80-90 m2 hergestellt, die nach dem Betonieren des Sohlgewölbes bzw. der Innenschale über Injektionsstutzen vollflächig mit Zementsuspension hinterlegt werden.

Durch die Zementhinterlegung wird der Zwischenraum zwischen Spritzbeton und Abdichtungsbahn wasserdicht verschlossen. Somit besteht keine Möglichkeit mehr, dass das Bergwasser entlang der Abdichtung vom druckdichten Bereich in den Schirmabdichtungsbereich fließen kann. Die Unterbindung der Bergwasser-Längswegigkeit ist der entscheidende Vorteil des Kompaktverfahrens gegenüber Systemen mit Vlieshinterlegung.

An den Portalen und in den Pannenbuchten beträgt die Innenschalenstärke 30 cm, in den Schirmabdichtungsbereichen 25 cm und im druckdichten Bereich je nach Höhe des angenommenen Berg- Wasserspiegels 40-50 cm. Bewehrt wurden lediglich jeweils 3 Portalblöcke im Norden und Süden sowie die 24 Betonierabschnitte des druckdichten Bereiches.

Die Entwässerung der Fahrbahn erfolgt über eine Schlitzrinne. Etwa alle 50 m wird das Fahrbahnwasser über einen Siphon in einen Prüfschacht eingeleitet. Die Sammelleitung führt das Fahrbahnwasser vollständig nach Norden zu einem Sammelbecken westlich des Nordportals ab. Das Becken (102 m3) wird im Normalbetrieb über zwei alternierend arbeitende Pumpen leergehalten.

Die Bergwässer (Quellwasser) werden in einem vollständig getrennten Leitungssystem (Ulmen- bzw. Tragschichtdrainagen) gesammelt und nach einer kontinuierlichen Mengenmessung in die Moosflächen nördlich des Tunnels abgeführt. Für die Kontrolle und Reinigung der Drainagen sind im Tunnel etwa alle 50 m Spülschächte in entsprechenden Nischen angeordnet.

Aus dem druckdichten Tunnelabschnittwird keinerlei Bergwasser abgeleitet

2.3 Betriebseinrichtungen, Ausstattung

Jede Richtung besitzt je zwei Pannenbuchten, die gegenüberliegend angeordnet wurden.

Der Tunnel ist mit einer in sechs Abschnitte aufgeteilten Durchfahrtsbeleuchtung sowie beidseits mit rund 360 m langen Einfahrtsbeleuchtungen ausgestattet.

Im Tunnel sind in ca. 300 m Entfernung zu den beiden Portalen je zwei Strahlventilatoren montiert, deren Blasrichtung umkehrbar ist (Längslüftung). Auch der Fluchtstollen ist mit Lüftern ausgestattet.

Im Normalbetrieb wird die Lüftung nach vorherrschender Strömungsrichtung, CO-Gehalt und Lufttrübung automatisch gesteuert.

Mit den installierten Lichtsignalanlagen und Wechselverkehrszeichen können die jeweiligen Fahrtrichtungen gesperrt bzw. im Wechselverkehr betrieben werden.

Die Belegung des Tunnels (Anzahl von Fahrzeugen im Tunnel) wird über die zentrale Leittechnik erfasst.

Der Tunnel wird sowohl von Süden als auch von Norden aus dem öffentlichen Mittelspannungsnetz jeweils mit Energie versorgt, so dass eine hohe Versorgungssicherheit gewährleistet ist.

Von der Tunnelwarte in der Autobahnmeisterei Memmingen können der gesamte Tunnel wie auch die Vorportalbereiche durch eine Fernsehanlage mit 12 Kameras fernüberwacht werden.

Neben den Handfeuermeldern in den Notrufnischen und an den Portalen erfolgt die Brandmeldung über eine automatische Linien-Brandmeldeanlage zur Tunnelwarte.

Der Tunnel ist mit einer Funkanlage für Feuerwehren mit zusätzlichem Arbeitsfunk, Polizei / Gendarmerie, Betriebsdienst der Autobahnmeisterei mit entsprechenden grenzüberschreitenden Koppelmöglichkeiten ausgestattet. Die Rettungsdienste benutzen die Kanäle der Feuerwehren mit.

Der Tunnel wird von zwei Betriebsgebäuden aus versorgt.

Im Tunnel sind im Abstand von 120 - 150 m auf der Ostseite insgesamt acht Feuerlöschnischen angeordnet. Je zwei Handfeuerlöscher befinden sich in der gegenüberliegenden Notrufnische.

2.4 Bauweise

Aufgrund der geologischen Prognosen war damit zu rechnen, dass der Tunnel mit Ausnahme kurzer Teilstrecken im Faulenbachtal konventionell nach der Spritzbetonbauweise im Bohr- und Sprengbetrieb aufgefahren werden konnte. Aus Gründen der Arbeitssicherheit wurde vom Bauherrenkonzept eines Vollausbruches abgeraten und der Tunnel ab Station 50 im Kalotten- und Strossenvortrieb aufgefahren.

Aufgrund der wasserrechtlichen Auflagen war in allen Vortriebsbereichen ein möglichst gebirgsschonendes Sprengverfahren erforderlich.

Im Sprengvortrieb wurden mittlere Tagesleistungen von 10 m erreicht; die Strosse folgte der Kalotte im Abstand von ca. 50 m.

Die Portalbereiche einschließlich der Betriebsgebäude wurden in offener Bauweise hergestellt.

3. Bauausführung

Der Auftrag zur Bauausführung wurde auf den ausgeschriebenen Entwurf vergeben.

Der offizielle Baubeginn erfolgte mit dem Tunnelanschlag Anfang Dezember 1995 am Nordportal.

Der Tunnel wurde in einer Vortriebsrichtung von Nord nach Süd aufgefahren. Der Durchschlag ins Vilstal erfolgte am 17.09.1997.

Der Ausbruch wurde zuerst als Vollausbruch und dann getrennt in Kalotten- und Strossenteilausbrüchen vorgenommen.

Der Beginn der Raibler Schichten wurde ab Station 530 erwartet. Am 6. März 1996 wurde im Zuge der Erkundungsbohrungen auf Station 480 mit ca. 20 1/s die bis dahin größte Bergwassermenge erschrotet. Daraufhin wurde der Vortrieb eingestellt und horizontale Kernbohrungen zur weiteren Vorerkundung wurden angeordnet. Kurz nach Beginn der Kernbohrungsarbeiten ereignete sich am 9. März 1996 ein plötzlicher und unerwarteter Wassereinbruch, dessen Anfangsschüttung auf 400 1/s geschätzt wurde. Durch erste vorauseilende Injektionsmaßnahmen konnte dieser Wasserzutritt bis zum 15. März nahezu vollkommen unterbunden werden.

Der weitere Vortrieb erfolgte mit einer systematischen Vorausinjektion.

Der Tunnel erhielt eine zweischalige Auskleidung, eine Außenschale als Sicherungsverbau und eine Innenschale als Betonauskleidung.

Dann folgte die Herstellung der Entwässerungseinrichtungen und der Betonfahrbahn.

Installation und Probeläufe der Betriebs- und Sicherheitstechnik bildeten den Abschluss der Baumaßnähme.

Die Verkehrsfreigabe des neuen Autobahnabschnittes der A 7 erfolgte dann im Juli 1999.

4. Literatur

[1] Autobahndirektion Südbayern, München und Landesbaudirektion, Straßenbau, Innsbruck: Dokumentation BAB A 7, Fernpass Straße B 314 Abschnitt Füssen bis Reutte-Nord,Grenztunnel Füssen

[2] Arge Grenztunnel Füssen, ÖSTU-Stettin / Gebr. Haider, Leoben: BAB A 7 Würzburg - Ulm - Füssen - (Reutte) B 314 Fernpass-Straße, Grenztunnel Füssen Technische Informationsschrift Tunnelbau

[3] Autobahndirektion Südbayern, Dienststelle Kempten: Grenztunnel Füssen, Bestandsplane, Photodokumentation

 

 

  • Land: Deutschland/Österreich
  • Region: Bayern, Tirol/Österreich
  • Tunnelnutzung: Verkehr
  • Nutzungsart: Straßentunnel
  • Auftraggeber: Bundesrepublik Deutschland: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen Republik Österreich: Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten
  • Planer: Ingenieurgemeinschaft Lässer-Feizlmayr
  • Ausführende: Östu-Stettin Hoch- und Tiefbau GmbH, Gebr. Haider
  • Bauweise: Geschlossen
  • Vortrieb: Sprengvortrieb
  • Auskleidung: Ortbeton
  • Anz. Röhren: 1
  • Gesamtlänge: 1284 m (Deutschland: 932 m, Österreich 352 m)
  • Querschnitt: Lichtraumhöhe 4,70 m, Fahrbahnbreite 8,50 m
  • Herstellkosten: 61 Mio. DM
  • Bauzeit: Dezember 1995 bis Juli 1999