Instandsetzung und Nachrüstung Schönbuchtunnel bei Herrenberg (A81)
1. Aufgabenstellung
Der Schönbuchtunnel wurde als Bestandteil der Bundesautobahn A 81 von Stuttgart nach Singen in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erbaut. Die A 81 ist eine wichtige und hochfrequentierte Nord-Süd-Verbindung in Baden-Württemberg. Der ca. 600 m lange Tunnel befindet sich nordöstlich der Gemeinde Herrenberg im Landkreis Böblingen. Täglich passieren ca. 65.000 Fahrzeuge den Tunnel, der Anteil des Schwerverkehrs beträgt fast 10 %.
Infolge erhöhter Anforderungen an den Betrieb und die Sicherheit von Tunnelbau werken, welche in den "Richtlinien für Ausstattung und Betrieb von Straßentunneln (RABT)" im Jahre 2006 neu definiert wurden, mussten Umbauarbeiten und Nachrüstungen im Schönbuchtunnel vorgenommen werden.
1.2 Bestandsbauwerk
Der Schönbuchtunnel besteht aus zwei jeweils zweispurigen Tunnelröhren, der Weströhre und der Oströhre. Beide Röhren sind durch einen Querstollen in Tunnelmitte miteinander verbunden. Der Abstand der beiden Tunnelachsen beträgt etwa 40 m. Dazwischen befindet sich ein Gebirgskern von ca. 26m Breite. Die Achsen beider Röhren verlaufen in einem Kreisbogen mit dem Radius 1.700 m sowie in einer Klothoide mit dem Parameter 1.200 m. Die Gradiente liegt in einer Kuppe, deren Hochpunkt sich im Tunnel in der Nähe der Nordportale befindet. Beide Fahrspuren weisen eine Querneigung von 3% auf.
Der Tunnelquerschnitt des Bestandes entsprach einem modifizierten RQ 26T (alt), wobei die Breite zwischen den Notgehwegen 11,00 m betrug. In jeder Röhre gab es zwei Fahrstreifen und einen Standstreifen. Der Schönbuchtunnel wurde in zweischaliger Bauweise, bestehend aus einer Spritzbeton-Außenschale und einer unbewehrten Innenschale mit umlaufender Abdichtung, hergestellt.
Zu dem Tunnel gehören ein Betriebsgebäude, welches sich ca. 200m südlich des Südportals befindet, und der Hochbehälter für die Löschwasserversorgung am Waldfriedhof Herrenberg. Im Jahr 1992 wurde die Betriebstechnik bereits einmal erneuert.
2. Bauwerksentwurf
2.1 Allgemeines
Während der Instandsetzung des Tunnels wurden die Nutzbreiten im Querschnitt angepasst. Die Breite zwischen den Schrammborden in einer Tunnelröhre beträgt nach dem Umbau 11,0S m. Sie setzt sich aus fo lgenden Fahrstreifenbreiten zusammen:
Standstreifen: 2,30 m
Randstreifen: 0,75m
1. Fahrstreifen: 3,75m
2. Fahrstreifen: 3,50m
Randstreifen: 0,75m.
Die Arbeiten am Schönbuchtunnel umfassten sowohl bauliche Instandsetzungen als auch betriebstechnische Nachrüstungen.
2.2 Bauliche Instandsetzung
Der vorhandene Aufbau der vier Notgehwege mit Trogausbildung aus Kabelkanal und Randstreifenwand sowie lose aufliegendenAbdeckplatten entsprach nicht mehr den aktuellen Brandschutzanforderungen. Daher wurden die vorhandenen Notgehwege abgebrochen und mit Kabelleerrohren und Füllbeton neu aufgebaut. Niveaugleiche Kabelziehschächte mit Edelstahldeckeln wurden im Abstand von ca. 50 m in den Notgehwegen für die Betriebstechnik, deren Einbau und Wartung vorgesehen.
Weitere Anpassungen erfolgten an der Tunnelentwässerung sowie an den Löschwasserleitungen. Die vorhandene Sammelleitung der Tunnelentwässerung wurde in bestehender Lage durch neue Stahlbetonrohre ersetzt. Zur Entwässerung der Fahrbahnen wurden an den tiefer liegenden Fahrbahnrändern Schlitzrinnen angeordnet. Die Schlitzrinnen entwässern im Abstand von 50 m in Brandabscheiderschächte. Diese Schächte wurden für das Bauvorhaben speziell entwickelt. Tauchwandschächte gemäß Richtzeichnung hätten nicht eingebaut werden können, da sie mit dem Tunnelsohlgewölbe kollidiert wären. Diese Brandabscheiderschächte besitzen eine Wasservorlage. Sobald brennbare Flüssigkeit in den Abscheider gelangt, wird das Wasser der Vorlage verdrängt und gelangt über eine Aufkantung in die darunter liegende Längsentwässerung. Dadurch ist gewährleistet, dass die brennende Flüssigkeit nicht in die Längsentwässerung durchbrennt und sich über den gesamten Tunnel ausbreitet. Für den Einbau der Brandabscheiderschächte war eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) notwendig.
In beiden Röhren befinden sich neben der linken Fahrbahn jeweils acht Löschwasserentnahmestellen. Die Hydranten werden von einer als Nassleitung ausgeführten Löschwasserringleitung gespeist, die in einemAbstand von ca. 0,60-0,80 m vom inneren Notgehweg in der Fahrbahn verläuft. Die alten Löschwasserleitungen wurden im Zuge der Bauausführung demontiert. Die Leistungsmessung am nachweisrelevanten Hydranten ergab eine Durchflussmenge von 72 m3/ h sowie einen Druck von 8 bar. Damit wurden die Forderungen der RABT erfüllt. Bereitgestellt wird das Löschwasser aus dem vorhandenen Behälter, der sich oberhalb des Südportals ca. 60 m über der Fahrbahn befindet. Zur Bereitstellung des angestrebten Entnahmedrucks musste die Löschwasserversorgung mit einer Druckerhöhungsanlage, bestehend aus zwei Pumpen, nachgerüstet werden. An den Portalen wurden vier neue Überflurhydranten vorgesehen, damit die Einsatzkräfte im Brandfall der Rauchentwicklung am Tunnelmund nicht direkt ausgesetzt sind. Temporäre Löschwasserleitungen gewährleisteten die ständige Verfügbarkeit von Löschwasser während der Bauphasen.
Durch die umfangreichen Arbeiten an den Notgehwegen, der Entwässerung und der Löschwasserversorgung waren Eingriffe in die bestehende Fahrbahndecke unumgänglich. In den Tunnelröhren wurde die vorhandene Deckschicht gereinigt und anschließend auf den Bestandsasphalt ein bituminöser Hocheinbau mit einer Stärke von 22 cm aufgebracht. In Verbindung mit den neu aufgebauten Notgehwegen konnte damit die Anforderung der RABT an die Bordhöhe von 3 cm erfüllt werden. In den Tunnelvorfeldern wurde der gesamte bituminöse Oberbau ausgebaut und ersetzt.
Weitere Instandsetzungsarbeiten erfolgten an den Oberflächen der Tunnelinnenschalen. Bis auf eine Höhe von 3,00 m über Oberkante Notgehweg wurden die Tunnelinnenschalen mittels Wasserhochdruck von haftmindernden Schichten mit einer Abtragsstärke von ca. 5 mm befreit. Diese Flächen wurden im Anschluss glatt gespachtelt und zur Erhöhung der Verkehrssicherheit mit einer weißen OSC-Schutzbeschichtung versehen. Darüber hinaus erfolgten die Sanierung von Betonfehlstellen mit einem Betonersatzsystem sowie die Verpressung von Risse n im gesamten Tunnelbereich.
Der vorhandene Querstollen wurde baulich saniert. Beide Eingangsbereiche des Querstollens erhielten Türen der Feuerwiderstandsklasse T90. Sie stellen den nach RABT geforderten Notausgang und gesicherten Bereich dar. Auch im Betriebsgebäude, am Hochbehälter der Löschwasserversorgung und an den Kabelkanälen erfolgten Instandsetzungsarbeiten an den Betonoberflächen sowie die Beseitigung von Korrosionsschäden an Metallbau teilen.
Etwa 100m südlich des Tunnels wurde eine neue Mittelstreifenüberfahrt erstellt. Südwestlich neben der Autobahn erfolgte die Anordnung eines Havariebeckens zur Rückhaltung kontaminierter Flüssigkeiten. Das überschüttete Betonbauwerk befindet sich im Nebenschluss zwischen dervorhandenen Straßenentwässerung und der Vorflut. Zusätzlich zu den erforderlichen 102 m3 fasst das Becken weitere 48 m3 , um auch die Tunnelvorfeldflächen abzudecken.
2.3 Betriebliche Nachrüstung
Im Zuge der betrieblichen Nachrüstung des Schönbuchtunnels wurde ein großer Teil der vorhandenen Betriebstechnik ausgebaut und durch modernere Technik ersetzt. Folgende betriebstechnische Ausstattungen wurden erneuert oder nachgerüstet:
- Mittel-und Niederspannungsschaltanlage,
- Blitzschutzanlage,
- Brandschutz-und Brandmeldeanlage,
- Tunnelfunkanlage,
- Fluchtwegkennzeichnung und Orientierungsbeleuchtung (alle 25 m einseitig auf der Seite des Verbindungsstollens),
- aktive Leiteinrichtungen (LED-Module) im Abstand von 25 m auf den Notgehwegen,
- Tunnelbeleuchtung (Adaption, Tag-und Nachtbeleuchtung),
- 14 Strahlventilatoren,
- 8 Sichttrübmessanlagen,
- 4 Strömungsmessanlagen,
- 2 Kohlenmonoxid-Messanlagen,
- 10 Notrufstationen, 8 Elektronischen,
- 4 Notrufkabinen im Tunnelvorfeld,
- Notrufsystem, Lautsprecheranlage und Videoüberwachung imTunnel und Tunnelvorfeld,
- Erneuerung USV-Anlagen mit Leistungserhöhung und Kabelnetzerweiterung,
- Erneuerung der Verkehrsbeeinflussungs- und Tunnelsperranlage,
- automatische Schrankenanlage an den Portalen,
- Erneuerung der Verkehrssteuerung und der SPS-Steuerung,
- Anhindung an die Verkehrsrechnerzentrale Stuttgart,
- Neubau Funkhaus und Funkmast am SüdportaL
Nach Fertigstellung der Brandmeldeanlage und vor Beginn des Probebetriebes wurden zum Nachweis der Funktionalität und Wirksamkeit der automatischen Branderkennung sowie der Brandlüftung in beiden Röhren Brandversuche durchgeführt. Während dieserVersuche waren das Bauwerk und seine technischen Einrichtungen durch bautechnische Maßnahmen derart geschützt, dass eine Beschädigung durch den Brand ausgeschlossen war.
2.4 Sonstiges
Im Zuge der Arbeiten am Schönbuchtunnel wurden auch die beiden südlich des Tunnels gelegenen Brückenbauwerke irrstandgesetzt Beide Brücken sind Stahlbetonrahmen mit Stützweiten von 6,60 m. Sie führen über einen Wirtschaftsweg. Zwischen den beiden Brücken befindet sich das Betriebsgebäude des Tunnels.
3 Bauausführung
3.1 Bauablauf
Um die Sperrzeiten der Tunnelröhren zu minimieren, waren alle Bautätigkeiten so getaktet, dass zeitlich parallel laufende Arbeiten räumlich gestaffelt erfolgen konnten. Die Baumaßnahmen wurden in folgenden Bauphasen durchgeführt:
0: Vorabmaßnahmen
1: Sperrung Weströhre Innenseite
2: Sperrung Weströhre Außenseite
3: Wochenendsperrung Weströhre
4: Sperrung Oströhre Innenseite
5: Sperrung Oströhre Außenseite
6: Wochenendsperrung Oströhre
Für Funktionstests und Abnahmen waren weitere Vollsperrungen nötig.
Die neue Mittelstreifenüberfahrt und das neue Havariebecken wurden als Vorabmaßnahmen in den Jahren 2009 bis 2011 vor der Sanierung des Schönbuchtunnels gebaut. Die Instandsetzungsarbeiten an den beiden südlichen Brückenbauwerken fügten sich in den Bauablauf des Tunnels ein.
3.2 Bauzeitliche Verkehrsführung
Da die A 81 aufgrund der hohen Verkehrsbelastung im Großraum Stuttgart sehr stauanfällig ist, musste die Gesamtbauzeit minimiert werden. Daher wurde rund um die Uhr, d. h. 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche, auf der Baustelle gearbeitet. Während der Bauzeit sollten vier Fahrstreifen ständig befahrbar sein. Dazu wurde eine 3+1-Verkehrsführung eingerichtet. In verkehrsschwachen Zeiten (z. B. nachts) durfte bei Bedarf eine Tunnelröhre komplett gesperrt werden ( 3 +0-Verkehrsführung).
Bei der Durchführung der Bauarbeiten hatte die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer oberste Priorität. Während der Bauzeit wurden eine mobile Stauwarnanlage und eine mobile Wechselverkehrszeichenanlage zur Verkehrsregelung eingesetzt. Unter Berücksichtigung der bauzeitlichen Linienführung, der Geschwindigkeit und einer engen Abfolge von Anschlussstellen und Rastanlagen waren auf beiden Richtungsfahrbahnen je zwei Messquerschnitte und drei Anzeigenquerschnitte vorgesehen. Zu den temporären Verkehrsregelungenzählte auch die Tunnelsperranlage, die die Sperrung einer Tunnelröhre im Brandfall innerhalb von Sekunden ermöglichte. Der vorhandene Verbindungsstollen diente während der Instandsetzungsarbeiten als begehbarer Rettungs-und Fluchtstollen. Er musste daher ständig erreichbar und begehbar sein.
3.3 Verkehrsfreigabe
Da auf der Baustelle rund um die Uhr gearbeitet wurde, konnte die Instandsetzung und Nachrüstung des Schönbuchtunnels nach nur zwei Jahren Bauzeit abgeschlossen werden. Der hohe Einsatz aller Beteiligten wurde bei der offiziellen Verkehrsfreigabe am 3. Juni 2016 besonders gewürdigt.
- Region: Baden-Würtemberg
- Tunnelnutzung: Straße
- Bauherr: RP Stuttgart
- Planer: Müller-Hereth Ingenieurbüro für Tunnel- und Felsbau GmbH, Karlsruhe
- Bauausführung: ARGE A 81-Sanierung Schönbuchtunnel Leonhard Weiss Bauunternehmung GmbH & Co. KG, Satteldorf (bauliche Sanierung); OSMO-Anlagenbau GmbH & Co. KG, Georgsmarienhütte (betriebstechnische Nachrüstung)
- Gesamtlänge: 606m + 597m
- Querschnitt: 110,4 m²
- Kosten: baul. Sanierung: 9,3 Mio. € BTA:8,4 Mio. €
- Bauzeit: März 2014 bis Juni 2016