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Kreuzstraßentunnel Tuttlingen, B311

1. Allgemeines

In der Stadt Tuttlingen kreuzen sich die Bundesstraßen B 14 und B 311. Die Bundesstraße B 311 in Verlängerung mit der B 31 ist eine wichtige Ost- West-Verbindung im südlichen Baden-Württemberg zwischen den Städten Ulm und Freiburg. Die Bundesstraße B 14 verbindet die Mittelzentren Rottweil, Tuttlingen, Stockach und Bodensee. Die Ortsdurchfahrten von Tuttlingen und Neuhausen ob Eck bildeten lange Zeit „Nadelöhre" auf der Strecke zwischen Ulm und Freiburg. Von den etwa 15.000 Fahrzeugen, die täglich die B 311 passieren, sind ca. 11 % Lastkraftwagen. Das Vorhaben der B 311-Verlegung im Raum Tuttlingen hatte zum Ziel, diese Engpässe zu beseitigen und damit die Kernstadt von Tuttlingen spürbar vom Verkehr zu entlasten. Das Gesamtprojekt der B 311-Verlegung umfasste insgesamt fünf Teilprojekte, wobei die wichtigsten Teile die Umfahrung von Neuhausen ob Eck und der Kreuzstraßentunnel waren. Mit dem Neubau des Kreuzstraßentunnels in Tuttlingen wurden die beiden stark befahrenen Bundes- Straßen B 14 und B 311 innerstädtisch in einer Trasse gebündelt und in Form eines Tunnels auf der bisherigen Trasse der B 14 geführt. Eine Herausforderung stellte hierbei die sehr eng stehende Wohnbebauung dar, deren Zugänglichkeit während der gesamten Bauzeit zu gewährleisten war. Die Planungen für den Kreuzstraßentunnel begannen bereits 1983. Zwei Jahre später wurde das Vorhaben in die Kategorie „Vordringlicher Bedarf" eingestuft. 1989 begann das Planfeststellungsverfahren. Die endgültige Zusage für den Bau des Tunnels wurde im Sommer 2006 erteilt.

2. Bauwerksentwurf

2.1 Geologie und Gründung

Am Tunnelstandort liegen unterschiedliche Baugrundschichtungen vor. Von Westen her steht eine etwa 14 m mächtige Lockergesteinsschicht aus Donaulehm und Hangschotter an. Die Mächtigkeit dieser Schicht verringert sich nach etwa 200 m bis auf etwa l m unter GOK. Darunter liegt Fels aus Kalkund Kalkmergelstein des Weißjura. Der gesamte Tunnel liegt oberhalb des Grundwasserspiegels.

2.2 Lage und Querschnitt

Der Tunnel wurde aufgrund der geringen Überdeckungshöhe von maximal 3,50 m in offener Bauweise errichtet. Seine Länge beträgt 948 m. Beginnend am Westportal folgt der Tunnel anfangs einem Rechtsbogen, geht dann, bedingt durch die Randbebauung, in einen Linksbogen über und verwindet sich anschließend in Rechtsbögen unterschiedlicher Radien. Die Kreisbögen sind durch Übergangsbögen und Geraden miteinander verbunden. Der kleinste Radius beträgt R = 200 m. Die Gradiente folgt der Oberfläche der Kreuzstraße und weist Steigungen bis 3,7 % auf. Der Tunnel besteht aus einer Stahlbetonröhre mit einem Rechteckquerschnittvon 9,70 m Breite und 5 m lichter Rohbauhöhe. Die Höhe des Verkehrsraumes beträgt 4,50 m. Der Tunnel wird im Gegenverkehr mit je einem Fahrstreifen von 3,75 m Breite befahren. Aufgrund der engen Radien wurde die Breite der beidseitig angeordneten Notgehwege auf 1,10 m festgelegt. Entsprechend der geologischen Situation wird der Tunnel auf 188 m Länge mit geschlossener Sohle und auf 760 m Länge mit offener Sohle ausgebildet. Im Bereich der geschlossenen Sohle beträgt die Regeldicke der Sohle 85 cm. Der Tunnel mit offener Sohle wird auf Streifenfundamenten von 2,00 m Breite gebettet. Die Wanddicken betragen zwischen 70 und 90 cm. Vouten verstärken die Übergänge von den Wänden zur Decke. Die Tunneldecke wurde entsprechend der Fahrbahnquerneigung geneigt ausgebildet. Ihre Dicke variiert zwischen 85 und 100 cm. Da der gesamte Tunnel außerhalb des Grundwassers liegt und Sickerwasser leicht abfließen kann, wurde der Tunnel nicht auf Wasserdruck bemessen, sondern als wasserundurchlässige Betonkonstruktion konzipiert. Lediglich die Decke wird durch eine Kunststoff dichtungsbahn mit 10 cm Schutzbeton gegen Sickerwasser abdichtet. Der Tunnel wurde in Blöcken von 10 m Regellänge hergestellt. Im Bereich der Lüfternischen und bei einem Radius von R < 300 m beträgt die Blocklänge 8,00 m. Die einzelnen Blöcke sind durch Raumfugen voneinander getrennt, die mit einem innenliegenden Fugenband abgedichtet und luftseitig mit einem Fugenabschlussband versehen wurden. In die Arbeitsfugen zwischen Sohle/Wand, Wand/ Decke wurden Fugenbleche eingebaut. Der Hochpunkt des Tunnels befindet sich etwa in Tunnelmitte. Hier sind beidseitig Pannenbuchten eingerichtet. Gleichzeitig ist hier der Standort für das unterirdische Betriebsgebäude und das Lösch- Wasserbecken. Das Sicherheitskonzept des Tunnels basiert auf den 5 Notausgängen, deren Treppenhäuser an die Oberfläche führen. Mit Abständen von 88 m bis 191 m zwischen den Fluchtwegen wird der nach RABT 2006 geforderte maximale Abstand von 300 m deutlich unterschritten. In den Tunneleingangsbereichen sind Lärmschutzwände >. 2,00 m angeordnet, die gleichzeitig auch als Absturzsicherung dienen.

2.3 Tunnelausstattung

Die betriebstechnischen Einrichtungen werden von der Tunnelleittechnik im unterirdischen Betriebsgebäude in der Mitte des Tunnels im Regelfall automatisch gesteuert. Die Tunnelleitzentrale ist daher nicht ständig besetzt. Bei Stör- oder Alarmfällen findet eine Fernsignalisierung zu der ständig besetzten Überwachungsstelle in der Polizeidirektion Tuttlingen und der Straßenmeisterei in Spaichingen statt. Von dort kann über die Bedien- und Beobachtungseinrichtungen in die Steuerung des Tunnels eingegriffen werden.

Energieversorgung

Die Energieversorgung erfolgt über das 20 kV Ringnetz der Stadtwerke.

Für alle sicherheitsrelevanten Systeme ist eine unterbrechungsfreie Notstromversorgung mit Batterien für eine Dauer bis zu 60 Minuten vorhanden.

Beleuchtung

Zur Beleuchtung des Tunnels wurden Natrium- Hochdrucklampen mit erhöhter Lichtausbeute eingesetzt. Die Einfahrtsbeleuchtung kann je nach Helligkeitsunterschied zwischen dem Außenbereich und dem Tunnel in 8 Stufen geschaltet werden. Die Durchfahrtsbeleuchtung wird in zwei Stufen nach Tag und Nacht geschaltet.

Belüftung

Die Frischluftversorgung wird mit 14 Strahlventilatoren gewährleistet. Im Brandfall sorgen sie für einen schnellen Rauchabzug über die Portale.

Verkehrstechnik

Der Verkehrsfluss wird über Lichtsignalanlagen, Wechselverkehrszeichen, Wechselwegweiser, Wechsellichtzeichen / Gelbblinker, automatische Halbschranken sowie eine feste Beschilderung gesteuert.

Brandmeldeanlagen

An der Tunneldecke ist ein linienförmiges Brandmeldesystem (Temperatursensor) installiert. Im Tunnel, im Betriebsgebäude und in den 5 Notausgangen sind Druckknopfmelder eingebaut. Über die Brandmeldezentrale im Betriebsgebäude wird der Brandalarm direkt an die Rettungsleitstelle gemeldet. Die zentrale Leittechnik zeigt den genauen Brandmeldeort im Tunnel an.

Kommunikationsanlagen

Der Tunnel verfügt über einen Tunnelfunk (analog und digital) sowie eine tunnelgeeignete Lautsprecheranlage (Grenzflächenhörner). Die Videoanlage lässt eine lückenlose Überwachung des Verkehrsraums, der Notausgänge und der Portalbereiche zu, so dass neben der manuellen Verkehrsbeeinflussung der optimale Einsatz der Rettungskräfte möglich ist. Es sind 11 Notrufstationen im Tunnel sowie weitere 5 in den Notausgängen installiert.

Entwässerungsanlagen

Die Entwässerungsanlage besteht aus Schlitzrinnen, durch die das Wasser über Tauchwandschächte in die Entwässerungsleitung unter der Fahrbahn gelangt. Die Entwässerungsleitung führt in den beiden Tiefpunkten in die Auffangbecken in der Nähe der Portale. Bevor im Havariefall das Wasser aus den Auffangbecken in die städtische Kanalisation gepumpt wird, wird der Inhalt auf Schadstoffe geprüft. Die Größe der Entwässerungsanlage ist auf einen Havariefall mit ca. 72 m3 Löschwasser und 30 m3 Tankinhalt eines Lkw ausgelegt.

Löschwasserversorgung

Der Löschwasserversorgung dient ein Löschwasserbecken mit angeschlossener Druckerhöhungsanläge am Hochpunkt des Tunnels, von dem aus Löschwasserleitungen zu den 10 Entnahmestellen im Tunnel führen. Bei einem Brandalarm wird automatisch die Druckerhöhungsanlage eingeschaltet, so dass bei Eintreffen der Feuerwehr der benötigte Druck zur Verfügung steht.

Beschichtung

Nach einer erfolgreichen Probebeschichtung an Teilflächen wurden die Wände des gesamten Tunnels, je zur Hälfte, mit Produkten auf der Basis von Nanotechnik beschichtet. Die Beschichtung bewirkt eine deutliche Aufhellung, eine langsamere Verschmutzung aufgrund ihres Abperleffektes sowie einen geringeren Reinigungsaufwand. Im Vergleich zu einer OS-C-Beschichtung konnten das Strahlen der Wände und die Grundspachtelung eingespart und die Deckbeschichtung in einem Arbeitsgang aufgetragen werden.

3. Bauausführung

Mit den Bauarbeiten für den Tunnel wurde am 29. September 2007 begonnen. Bereits ein Jahr zuvor begann ein umfangreiches Beweissicherungsverfahren, da der Tunnel mitten in der Stadt liegt und die Häuserfassaden zum Teil an die Baugrübe grenzten. Sämtliche Ver- und Entsorgungsleitungen wurden in die Vorgärten bzw. unter die Gehwege umverlegt. Der Tunnel wurde in seiner gesamten Länge von 948 m in offener Bauweise in einer bis zu 12 m tiefen Baugrube hergestellt. Dabei wurde in vier Bauabschnitten vorgegangen. Auf Grund der innerstädtischen Lage der Tunnelbaustelle musste der Tunnel erst in einem Abschnitt überfahrbar sein, bevor eine andere Kreuzung gesperrt werden und die Arbeit am nächsten Abschnitt begonnen werden konnte. Vor dem Hintergrund innerstädtischen Bauens wurde die Baugrube mit Bohrpfahlwänden gesichert. Etwa 1.700 tangierend angeordnete Bohrpfähle mit einem Durchmesser von 75 cm und einer Länge von 12 bis 18 m wurden im Doppelkopfdrehbohrverfahren hergestellt. Anschließend wurden die Bohrpfahlwände mit Spritzbeton ausgefacht. In Querrichtung wurden die Baugrubenwände mit Stahlträgern gegeneinander abgestützt. Im Schutz der Bohrpfahlwände wurden die Tunnelsohle, die Wände und die Decke in Ortbeton als Rechteckprofil hergestellt.

Im Juli 2010 erfolgte die VOB-Abnahme. Vor Inbetriebnahme wurde das Sicherheitskonzept des Tunnels durch Brandversuche in einer Großübung von Feuerwehr, THW, Polizei und DRK überprüft. Seit dem 17. Februar 2011 ist der Kreuzstraßentunnel für den Verkehr freigegeben.

4. Literatur

[1] Stadt Tuttlingen, Regierungspräsidium Freiburg und Gemeinde Neuhausen ob Eck: Die Verlegung der B 311 bei Tuttlingen, Festschrift zur Einweihung am 17. Februar 2011

 

  • Land: Deutschland
  • Region: Baden-Württemberg
  • Tunnelnutzung: Verkehr
  • Nutzungsart: Straßentunnel
  • Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, Land Baden-Württemberg
  • Planer: Lahmeyer International GmbH (Entwurf), SSF Ingenieure GmbH (Ausführung)
  • Prüfer: Dr.-Ing. Retzepis, Karlsruhe
  • Bauüberwachung: Ingenieurgemeinschaft Setzpfand mbH
  • Bauausführende Arge: Reisch GmbH & Co. KG; SKS Bau GmbH & Co. KG; Heim Tuttlingen Bauuntern. GmbH & Co. KG; OSMO-Anlagenbau GmbH
  • Bauweise: Offen
  • Vortrieb: Baggervortrieb
  • Anz. Röhren: 1
  • Gesamtlänge: 948 m
  • Offene Bauweise: 11,10 m breit, bis 12 m tief
  • Kosten: 24 Mio. Euro (Rohbau), 3,7 Mio. Euro (Betriebstechnik)
  • Bauzeit: 09/2007 bis 02/2011 (41 Monate)